Kabinettsumbildung in Rheinland-Pfalz Grüne drängen Dreyer zum Durchgreifen

MAINZ · Allem Anfang wohnt ein Zauber inne, dieser beginnt mit einer Panne, genauer: mit einer Tonpanne. Gravitätisch treten die Ministerpräsidentin und die neuen wie alten Gesichter von Rot-Grün in den Stresemannsaal der Staatskanzlei.

Malu Dreyer geht ans Pult, beginnt ihre Rede - doch ein Tontechniker stoppt sie, und das während einer Liveübertragung. Das Mikrofon funktioniert nicht. Die Minuten ziehen sich wie Kaugummi. "Regierung sprachlos", witzelt ein Journalist. Doris Ahnen, designierte Finanzministerin, witzelt zurück: Das sei extra für die Kollegen der schreibenden Zunft. Dreyer meistert die Situation, und als das neue Mikro installiert ist, wiederholt sie ihre ersten Sätze.

Natürlich stehen am Tag eins, nachdem im politischen Mainz die Bombe platzte, die handelnden Personen unter Beobachtung. In erster Linie Dreyer. Wirkt sie souverän? Oder angespannt? Oder fahrig? Nein, Dreyer wirkt geradlinig, entschlossen, sie will Handlungsstärke demonstrieren, wie sie dort am Rednerpult steht.

Dreyer betont, es habe sich um ihre persönlichen Personalentscheidungen gehandelt. "Der grüne Koalitionspartner musste nicht besänftigt werden", lächelt die 53-Jährige in die Kameras, und zieht Wirtschaftsministerin Eveline Lemke, die hinter ihr steht, nach vorn. Lemke sagt, es handele sich um eine "rot-grüne" Entscheidung. "Diese Koalition steht fest auf beiden Beinen."

Wie es in den vergangenen Wochen wirklich gelaufen sein könnte, erfährt man nur hinter vorgehaltener Hand. Bei den Grünen wird kolportiert, Lemke und Dreyer seien intensiv im Gespräch gewesen, und die Grüne habe der Regierungschefin signalisiert, dass es angesichts der Nürburgring-Krise und schlechter Umfragewerte für Rot-Grün so nicht weitergehen könne. Man habe bei den Genossen einige Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Dass ein sogenanntes "Selfie", ein fotografisches Selbstporträt, von Lemke mit CDU-Chefin Julia Klöckner auf dem Internet-Nachrichtendienst Twitter auftauchte, war kein Zufall, heißt es. "Das war der Gong", sagt ein Grünen-Mitglied. Auch Daniel Köbler äußert sich eher zwischen den Zeilen. "Es ist ein Stück Ballast der SPD-Alleinregierung mit abgefallen", unterstreicht der Grünen-Fraktionschef, nennt grüne Themen wie Energiewende, Umweltschutz, Bürgerbeteiligung, Bildung und Transparenz. "Für uns ist es wichtig, dass es weitergeht", betont er. Auf die Frage, ob es ohne Kabinettsumbildung nicht weitergegangen wäre, antwortet er ausweichend.

Dreyer bewahrt die Contenance an diesem Tag, auch als sie von einer Journalistin gefragt wird, ob es ihr gefalle oder eher nicht, dass die Medien jetzt auch ihre harte Seite beschreiben würden. Dass Dreyer durchgreift, wenn sie es für richtig hält, ist bekannt.

Wer Justizminister Jochen Hartloff am Dienstagabend nach den entscheidenden Sitzungen erlebte, merkte, wie es in dem Mann brodelte. Er, der kürzlich noch Richtern und Staatsanwälten die Ernennungsurkunden überreichte, muss künftig den Hinterbänkler im Landtag spielen. Co-Hinterbänklerin wird (Noch-)Europaministerin Margit Conrad. Dreyer versucht herauszustreichen, dass es nicht um mangelnde fachliche Fähigkeiten oder schlechte Leistungen bei den beiden Ministern gegangen sei. Warum sie die beiden dann aus dem Amt entferne, will eine Reporterin wissen, und trifft zielsicher den wunden Punkt.

Dreyer lässt durchblicken, dass es schwierige, aber aus ihrer Sicht notwendige Entscheidungen gewesen sein müssen - ihre Entscheidungen. Eine solche Kabinettsumbildung hat es in Rheinland-Pfalz noch nie gegeben. Es dürfte ein weiterer deutlicher Schritt von Dreyer sein, sich von Kurt Beck zu distanzieren. Ob dies der Regierung kurzfristig Luft verschafft oder doch eine längere Atempause, wird sich zeigen. Der nächste Eklat am Nürburgring kommt bestimmt.

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