Parteitag des NRW-Landesverbands Grüne: Aus für "Methusalem-Kraftwerke"

BIELEFELD · Den Grünen wird man kaum vorwerfen können, dass sie jene Farbe, nach der vor gut 35 Jahren ihre Partei benannt worden ist, bisher zu sparsam genutzt hätten. Während die anderen Parteien ihre Farbe schon mal wechseln - die CDU etwa zu orange, die SPD zu dieser merkwürdigen Form von pink -, so blieben die Grünen bei grün.

 Kampfeslustig: Die grüne Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann.

Kampfeslustig: Die grüne Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann.

Foto: dpa

Nun wird die Farbe etwas dunkler und erhält Maserungen. "Das neue Grün wirkt wärmer", sagt Marianne Weiß, die politische Geschäftsführerin der NRW-Grünen, am Samstag auf dem Landesparteitag in Bielefeld. Sie stellte nicht nur die veränderte Farbe, sondern auch das neue Design von Plakaten, T-Shirts oder Flyer vor. "Früher hatten wir viele Sprechblasen und oft viel Text. Damit ist jetzt Schluss. Wir finden: Ein Bild sagt manchmal mehr als 1000 Worte."

Doch ob die Grünen damit auch ihre politischen Botschaften transportiert bekommen? "Aufbruch 2017" heißt ihr Slogan, den in Bielefeld bald jeder Redner in seinem Beitrag unterbrachte. Soll heißen: Bei der Landtagswahl im Frühjahr und der Bundestagswahl im Herbst 2017 will die Partei so viele Stimmen gewinnen, dass keine Regierungsbildung an ihr vorbei möglich ist. Doch noch befindet sich die Partei nicht im Wahlkampfmodus. Nur in den Beiträgen von Sylvia Löhrmann und Bärbel Höhn, jenen beiden Politikerinnen, die bei den Grünen mit über die größte Erfahrung verfügen, blitzte Kampfesmut auf, den politischen Gegner anzugreifen.

So warf Vize-Ministerpräsidentin Löhrmann der Bundesregierung vor, sie eiere beim Klimaschutz herum, den CDU-Landeschef Armin Laschet nannte sie einen "Witterungspolitiker ohne Haltung", und den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner kritisierte sie dafür, dass er sich zunehmend von Klimaschutz-Beschlüssen von Schwarz-Gelb distanziere.

Höhn - Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses - übte scharfe Kritik an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der eine Klimaabgabe für alte Braunkohlenkraftwerke ins Gespräch gebracht hatte. "Wir brauchen keine Instrumentendebatte", rief sie unter dem Beifall der fast 300 Delegierten, "der Ausstieg aus der Braunkohle muss eingeleitet werden, sonst können wir die Klimaziele nicht erreichen." Schließlich hätten die zum Teil bald 50 Jahre alten Braunkohlekraftwerke einen viermal höheren Kohlendioxid-Ausstoß als vergleichbare Gaskraftwerke. "Diese Methusalem-Kraftwerke können wir uns nicht mehr leisten", forderte die 63-Jährige. Der Energie-Experte der Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, sprach sich dafür aus, jetzt den Strukturwandel für das Rheinische Revier zu planen. Man dürfe den Kumpel nicht versprechen, dass dort auf ewig Braunkohle gefördert werde.

Den größten Beifall aber erhielt ein Mann, der nicht Parteimitglied ist, offenbar vielen Delegierten jedoch aus der Seele sprach, als er ein düsteres Bild der deutschen Gesellschaft malte: Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Früher sei es darum gegangen, alle mitzunehmen, heute hingegen reiche es den Verantwortlichen in der Politik, dass viele Menschen nur notdürftig versorgt werden. "Jene, denen es gut geht, rücken zusammen." Dass die Armutsquote bei 15,5 Prozent liege, das wollten viele nicht hören. Das sei auch der Grund dafür, dass es um den Armutsbegriff eine verbissen geführte Auseinandersetzung gebe.

"Wir sind ein reiches Land", sagte Schneider, "doch warum sind immer dieselben Kinder angeblich krank, wenn es zum Klassenausflug geht?" Er sprach von versteckter Armut und forderte mehr Geld für Soziales, auch höhere Hartz-IV-Leistungen. "Hartz IV ist nicht das Sprungbrett in den Arbeitsmarkt, sondern eine Sackgasse geworden." Schneider wurde von den Delegierten nach seiner Rede stehend verabschiedet.

Für Grünen-Sozialexpertin Andrea Asch aus Köln ein Zeichen, dass die soziale Gerechtigkeit ein ganz wichtiger Bestandteil des Grünen-Programms bleiben müsse. Sicher auch mit Blick auf den Klimaschutz und den Kampf gegen die Braunkohle meinte sie, die Partei dürfe sich nicht "monothematisch in eine Ecke stellen". Allein mit einer wärmeren grünen Farbe wird sich zudem auch kaum ein Wähler begeistern lassen.

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