Mängel am G36 Gewehr ohne Gewähr

BERLIN · Wieder ein Gutachten. Der Inhalt: heikel. Ursula von der Leyen hat seit gestern neuen Lesestoff auf dem Schreibtisch. Das Verteidigungsministerium deckt nach außen noch den Mantel des Schweigens über die nach innen berichtete Mängelliste zum Sturmgewehr G36 der Bundeswehr.

 Soldaten der zehnten Panzerdivision in Sigmaringen halten beim Appell das umstrittene Gewehr vom Typ G36 in den Händen. FOTO: DPA

Soldaten der zehnten Panzerdivision in Sigmaringen halten beim Appell das umstrittene Gewehr vom Typ G36 in den Händen. FOTO: DPA

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"Vielleicht fünf bis sechs Wochen" wolle das Ministerium nun noch einmal "für sich bewerten", was externe, unabhängige Gutachter wie auch Munitions- und Waffenexperten der Bundeswehr zu den Pannen mit dem G36 zusammengetragen haben, sagte Ministeriumssprecher Jens Flosdorff gestern in Berlin.

Dabei hatte Ministerin von der Leyen schon vor drei Wochen eine Offensive versucht und die Mängel des G36 öffentlich benannt. "Das G36 hat offenbar ein Präzisionsproblem bei hohen Temperaturen, aber auch im heißgeschossenen Zustand", hatte die CDU-Politikerin die nicht mehr zu leugnenden Probleme mit dem Sturmgewehr eingeräumt.

Auch Generalinspekteur Volker Wieker konnte nicht länger unter der Decke halten, dass die Präzisionsprobleme mit dem G36 "signifikant größer als bei den untersuchten Vergleichswaffen" seien.

Er wandte sich wenig später mit einer Weisung an die Truppe, wonach unter anderem darauf zu achten sei, "unnötige Temperaturschwankungen etwa durch direkte Sonneneinstrahlung oder andere Wärmequellen zu vermeiden", wenn es der Einsatz erlaube. Das G36 gehört zur Ausrüstung deutscher Soldaten in Auslandseinsätzen wie in Afghanistan oder im westafrikanischen Mali.

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" hatte das Amt für Heeresentwicklung bereits im März 2014, vier Monate nach von der Leyens Amtsantritt, eine "Produktverbesserung" für das G36 angeregt. Das Gewehr habe sich in annähernd 20 Jahren als Standardbewaffnung bei der Bundeswehr bewährt, allerdings seien auch "Fähigkeitslücken" identifiziert worden, "die für die Streitkräfte im Einsatz nicht hinnehmbar" seien.

Unter anderem bemängelte das Amt zu geringe Präzision bei Dauerfeuer und hohen Außentemperaturen. Ministeriumssprecher Flosdorff sagte gestern zu den berichteten Mängeln beim G36: "Es ist die Munition, ja, aber nicht nur die Munition, auch das Gewehr verändert sich."

Er verwies zudem darauf, dass nach dem Amt für Heeresentwicklung im vergangenen Jahr auch der Bundesrechnungshof "Zweifel an der Waffe angemeldet" hatte. Auch deswegen habe Ministerin von der Leyen schließlich eine "Gesamtuntersuchung" angeordnet.

Auf die Frage, wie das Verhältnis zwischen dem Ministerium und dem Hersteller des Gewehres, der schwäbischen Waffenschmiede Heckler&Koch, sei, antwortete Flosdorff: "Es ist das Verhältnis von Kunde zu Lieferant." Zu möglichen Schadenersatzforderungen gegen Heckler&Koch sagte Flosdorff, nach den bisher vorliegenden Informationen gebe es "noch keine belastbare Grundlage" des Bundes gegen die Firma.

Derzeit sehe es so aus, "dass es wahrscheinlich keinen Schadenersatzanspruch gibt". Im Auftrag des Ministeriums sollen nun zwei Experten-Gremien prüfen, ob durch Mängel am Gewehr Schäden verursacht und welche Informationen womöglich nicht weitergegeben worden sind. Flosdorff: "Die Ministerin ist keine Sachverständige für Gewehre."

Das G36

Das Sturmgewehr G36 gehört seit 1996 zur Standardausrüstung jedes Bundeswehrsoldaten. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden 176 544 der Waffen bei dem baden-württembergischen Hersteller Heckler & Koch eingekauft, von denen noch 166 619 genutzt werden.

Das Gewehr besteht zum großen Teil aus Kunststoff und ist deswegen mit einem Gewicht von dreieinhalb Kilogramm vergleichsweise leicht. Es hat ein Kaliber von 5,56 mal 45 Millimetern und kann Einzelschüsse und Dauerfeuer abgegeben.

8000 G36-Gewehre hat die Bundeswehr an die kurdische Armee im Nordirak für ihren Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat abgegeben.

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