NSA-Spähaffäre Ganz nah am Ohr des Freundes

BERLIN · Eine schöne Geschichte wäre das. Wie gemacht für aufgeregte Wahlkampfzeiten. Für Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz wie für Christian Flisek, SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, ist inzwischen ausgemacht, wer das Copyright dazu hat: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Berater.

 Aussage: Der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla behauptet am 12. August 2013, die USA hätten den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten.

Aussage: Der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla behauptet am 12. August 2013, die USA hätten den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten.

Foto: dpa

Im Sommer 2013 verfolgt eine aufgescheuchte deutsche Öffentlichkeit wenige Monate vor der Wahl am 22. September, wie ein Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) mehrmals dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) Rede und Antwort stehen muss. Am 12. August, sechs Wochen vor der Wahl, behauptet Pofalla vor der Presse in Berlin, die USA hätten "den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten". Vor zwei Wochen wird aus vertraulichen E-Mails und Unterlagen, die das Bundeskanzleramt im vergangenen Jahr dem NSA-Untersuchungsausschuss übermittelte und aus denen jetzt Medien zitierten, deutlich: Die USA hatten nie das Ziel eines No-Spy-Abkommens mit Deutschland.

Für SPD-Obmann Flisek ist die Behauptung Pofallas, wonach Washington ein No-Spy-Abkommen angeboten habe, eine "Nebelkerze", weil die USA mit keinem einzigen Staat der Erde, "selbst mit den Ländern, mit denen sie in Geheimdienstsachen auf das Engste zusammenarbeiten, ein solches sogenanntes No-Spy-Abkommen haben". Man habe "eine Geschichte erzählen" wollen, die da laute: "Die Kanzlerin trotzt dem großen amerikanischen Partner ein Abkommen ab, das es so in der Welt nicht gibt. Sie sollte am Ende als Heldin dastehen", erklärte Flisek im Deutschlandfunk.

Grünen-Politiker von Notz wird noch deutlicher. In den vergangenen Wochen sei "sehr deutlich geworden, dass die Bundeskanzlerin für die Manipulation im Bundestagswahlkampf 2013 bezüglich der Wahrheit verantwortlich ist". Merkel selbst habe "diesen Popanz No-Spy-Abkommen aufgebaut, um die Öffentlichkeit zu beruhigen, obwohl man klar wusste, es gibt keine Aussicht, ein solches Abkommen abzuschließen".

Merkel ist 2013, bei ihrer jährlichen Sommer-Pressekonferenz, gefragt worden, ob sie dem ehemaligen NSA-Analysten Edward Snowden irgendwie dankbar sei, dass dieser das Ausmaß der US-Lauscherei öffentlich gemacht habe. Die Kanzlerin antwortete trocken: Nun ja, die Dinge lägen nun mal auf dem Tisch, jetzt müssten sie auch aufgearbeitet werden. Aufgearbeitet? No-Spy-Abkommen? Statt dessen wurde vor Wochen nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" öffentlich, dass die NSA den Bundesnachrichtendienst (BND) über Jahre mit einer Selektorenliste fütterte, mit der der deutsche Auslandsgeheimdienst womöglich half, auch deutsche und europäische Unternehmen auszukundschaften.

Nun läuft ein "Konsultationsverfahren" mit den USA, von dem niemand weiß, wann es endet, ob die Selektorenliste dem Bundestag zugänglich gemacht werden kann.

Seither betont Regierungssprecher Steffen Seibert beinahe wöchentlich, die Bundesregierung habe die Öffentlichkeit "nach bestem Wissen und Gewissen" informiert. Wirklich? Laut "Süddeutscher Zeitung" wusste die Bundesregierung in jenem Wahlsommer 2013 längst, dass die USA ein solches "No-Spy-Abkommen" nie abschließen würden. Seibert blieb auch gestern dabei: Washington und Berlin hätten 2013 "Verhandlungen über eine Text im Sinne eines sogenannten No-Spy-Abkommens geführt".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-Legalisierung Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Aus dem Ressort