Interview mit NRW-Innenminister Ralf Jäger "Es gibt nicht die eine richtige Lösung"

NRW-Innenminister Ralf Jäger äußert sich im GA-Interview skeptisch zu Transitzonen an den Grenzen. Mit dem SPD-Politiker sprach Wilfried Goebels.

Bund und Länder wollen die hohen Flüchtlingszahlen begrenzen. Bayern schlägt vor, an den Grenzen Transitzonen einzurichten, in denen sofort entschieden wird, ob Asylchancen bestehen. Was sagen Sie?
Ralf Jäger: Ich bin da mehr als skeptisch, ob solche Methoden wirklich sinnvoll sind. Menschen, die um ihr Leben laufen, lassen sich nicht von Transitzonen, Zäunen oder Grenzen aufhalten. Darüber hinaus sehe ich erhebliche verfassungsrechtliche Probleme. Wir warten jetzt auf das Konzept des Kanzleramts. Erst dann lässt sich beurteilen, wie realistisch solche Vorschläge sind.

Lässt sich der Flüchtlingsstrom überhaupt kurzfristig eindämmen?
Jäger: Es gibt nicht die eine richtige Lösung. Wir brauchen ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Klar ist: An der deutschen Grenze lässt sich die Zahl der Flüchtlinge nicht reduzieren. Wer bei uns ankommt, hat ein Anrecht auf ein rechtstaatliches Asylverfahren. Helfen kann nur die Stabilisierung der Flüchtlingssituation in Jordanien, in der Türkei, im Libanon. Von zentraler Bedeutung ist natürlich auch ein möglichst rasches Ende des Bürgerkriegs in Syrien. Nur dann kommen wieder weniger Flüchtlinge nach Deutschland. Außerdem brauchen wir eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge in der Europäischen Union.

Die Kanzlerin schließt Steuererhöhungen für die Versorgung der Flüchtlinge aus. Ist das realistisch?
Jäger: Den Menschen sind solche Steuererhöhungen nur schwer zu vermitteln. Ich halte es daher für kontraproduktiv, wenn dem Steuerzahler in die Tasche gegriffen wird, um die Flüchtlingskosten zu tragen. Wir wollen die Willkommenskultur und Hilfsbereitschaft in Deutschland erhalten.

Ist NRW an den Grenzen der Aufnahmefähigkeit angelangt?
Jäger: Es dürfte jedem klar sein, dass es natürlich Grenzen der Aufnahmefähigkeit gibt. Wo diese Grenze liegt, das weiß zurzeit niemand. Wenn Sie mich im Januar gefragt hätten, ob wir es in Deutschland schaffen, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, dann hätte ich gesagt: Das schaffen wir nicht. Aber wir haben es geschafft! Die Menschen in Deutschland stellen sich aber zu Recht die Frage, wie wir das auch weiterhin schaffen können. Flüchtlinge müssen derzeit monatelang warten, bis über ihren Asylantrag entschieden wird, sie Sprachkurse besuchen dürfen oder eine Arbeitserlaubnis erhalten. Damit Integration erfolgreich sein kann, müssen wir schneller und besser werden.

CDU und FDP fordern konsequentere Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern.
Jäger: Der Schlüssel für die Lösung des Problems sind vor allem beschleunigte Asylverfahren. Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass die Asylverfahren nicht mehr so lange dauern. Das wäre ein klares Signal an die Menschen in den Balkanstaaten, dass sie bei uns keinen Anspruch auf Asyl und damit auch keine Zukunftsperspektive haben. Hier müssen wir konsequent vorgehen. Neben den freiwilligen Ausreisen wird dann auch die Zahl der Abschiebungen steigen.

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