Interview "Die meisten kommen zu spät"

Warum ungeklärte Familienkonflikte Unternehmen in den Ruin treiben können, erklärt der Bonner Psychologe Stefan Poppelreuter

 Stefan Poppelreuter, Jahrgang 1964, ist promovierter Diplom-Psychologe und Leiter des Bereichs HR Development Service bei der Tüv Rheinland Akademie GmbH in Bonn. Er berät und begleitet Unternehmen bei Nachfolge-/Generationswechselprozessen.

Stefan Poppelreuter, Jahrgang 1964, ist promovierter Diplom-Psychologe und Leiter des Bereichs HR Development Service bei der Tüv Rheinland Akademie GmbH in Bonn. Er berät und begleitet Unternehmen bei Nachfolge-/Generationswechselprozessen.

Foto: ga

Bei der Betriebsübergabe sind Aspekte wie Steuern oder Finanzen oft schnell geregelt. Mit der Klärung der zwischenmenschlichen Prozesse tun sich Unternehmerfamilien oft schwerer, hat der Bonner Psychologe Stefan Poppelreuter festgestellt. Sie seien aber für den Erfolg des Generationenwechsels ebenfalls maßgeblich. Mit Poppelreuter, der für den Tüv Rheinland Unternehmen berät, sprach Delphine Sachsenröder.

Wofür brauchen Unternehmer psychologische Beratung?

Stefan Poppelreuter: Bei der Frage der Nachfolge, speziell in Familienunternehmen, gibt es häufig ungeklärte Konflikte zwischen den Generationen. Diese kommen oft erst auf den Tisch, wenn wir in unseren Beratungen Unternehmer und Nachfolger ausführlich getrennt befragen.

Zum Beispiel?

Poppelreuter: Der Klassiker ist, dass der Unternehmer nicht loslassen kann und seinen Betrieb entgegen seiner eigenen Ankündigungen nur in Teilen oder gar nicht überträgt. Dem Nachfolger werden weder Freiräume noch wirtschaftliche Verantwortung übertragen. Daraus resultiert, dass möglicherweise notwendige Innovationen ausbleiben. Die Belegschaft ist verunsichert, da sie nicht weiß, an wen sie sich für Entscheidungen wenden muss. Der Nachfolger ist beschädigt, wird als König ohne Reich wahrgenommen, etwa wenn der Senior noch Jahre nach der Übergabe in seinem alten Chefbüro sitzt.

Wann fällt das Loslassen besonders schwer?

Poppelreuter: In Unternehmen, die seit mehreren Generationen in Familienhand sind, fällt der Wechsel oft leichter als vom Firmengründer zur nächsten Generation. Man kann dann auch auf die Erfahrungen der Großväter und vielleicht Urgroßväter zurückgreifen, während der Gründer häufig dem Unternehmen noch tiefer emotional verbunden ist. Wer den Betrieb selber aufgebaut hat, kann sich meist schlechter von seinem "Baby" trennen.

Unter welchem Druck steht die Generation der Nachfolger?

Poppelreuter: Ein Unternehmerkind kann in der Frage der Nachfolge sich einer Entscheidung nicht entziehen. Ein Votum gegen die Betriebsübernahme wird von den Eltern immer noch häufig als Entscheidung gegen die Familie oder gegen den Firmengründer als Person missverstanden. Dadurch fühlt sich die junge Generation oft unterschwellig unter Druck gesetzt. Es kommt aber auch immer wieder zu ganz direktem Druck auf die Kinder, die Nachfolge anzutreten - bis hin zu Erpressungsversuchen nach dem Motto "sonst wirst Du enterbt".

Kann das funktionieren?

Poppelreuter: Nein. Wenn der Junior das Unternehmen mit Widerwillen übernimmt, kann er nicht die nötige Motivation aufbringen, die Firma auf Spur zu halten oder gar weiterzubringen. So können ungeklärte Familienkonflikte Unternehmen in den Ruin treiben.

Sind es immer noch die Söhne, die automatisch als Nachfolger im Chefsessel angesehen werden?

Poppelreuter: Wenn Unternehmer Söhne und Töchter haben, übernimmt auch heute noch eher der männliche Erbe das Unternehmen. Aber die Töchter holen auf. Dabei kommt es allerdings sehr auf die Branche an. In stark von Männern dominierten Wirtschaftszweigen, etwa bei Autohäusern, haben es Frauen mitunter schwerer.

Gibt es Unterschiede bei der Übergabe eines Betriebs an Söhne oder an Töchter?

Poppelreuter: Die Fallstricke sind verschieden. Machtkämpfe entstehen oft zwischen Vater und Sohn. Das Verhältnis von Töchtern zu ihren Vätern ist oft weniger von Konkurrenz als vom Wunsch nach Anerkennung geprägt. Das kann zu Anpassungsverhalten führen und die Weiterentwicklung des Unternehmens hemmen.

Wann ist für den Unternehmer der richtige Zeitpunkt gekommen, über die Nachfolgeregelung nachzudenken?

Poppelreuter: Spätestens mit Mitte 40 sollte ein Unternehmer dieses Thema in Angriff nehmen, ohne direkt ins Detail gehen zu müssen. Bei Produkten oder Vertriebswegen gibt es schließlich auch in den meisten Unternehmen langfristig ausgelegte Strategien. Aber in der Praxis schieben viele Unternehmer das Thema Nachfolge weiter vor sich her. Die meisten kommen zu spät.

Was sind die Gründe dafür?

Poppelreuter: Wer über die Betriebsübergabe nachdenkt, konfrontiert sich damit automatisch mit der eigenen Endlichkeit. Dazu kommt: Vielen Unternehmern macht ihre Arbeit so viel Spaß, dass sie sich kaum eine erfüllende Tätigkeit nach dem Ausstieg aus der Firma vorstellen können. Aber auch hier gilt: Oft wird der bestraft, der zu spät kommt.

Zur Person

Stefan Poppelreuter, Jahrgang 1964, ist promovierter Diplom-Psychologe und Leiter des Bereichs HR Development Service bei der Tüv Rheinland Akademie GmbH in Bonn. Er berät und begleitet Unternehmen bei Nachfolge-/Generationswechselprozessen.

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