Kommentar Die Party ist vorbei

BERLIN · Zum zweiten Mal in einem Zeitraum von weniger als zwölf Monaten hat die SPD-Basis gezeigt, wie sie tickt: Pragmatisch, nüchtern, realpolitisch.

Erst fügten sich die Mitglieder bundesweit in die trockene Notwendigkeit der großen Koalition. Nun entschieden sich die Sozialdemokraten der Hauptstadt mit verblüffender Deutlichkeit für Michael Müller.

Um zu erkennen, welche Botschaft in dieser Entscheidung steckt, muss man den Blick auf die geschlagenen Mitbewerber richten: Der linksgestrickte Berliner Parteichef Jan Stöß kam gerade auf 20 Prozent, der in Palästina geborene Fraktionschef Raed Saleh schnitt noch schwächer ab.

Die Genossen wussten, dass die SPD für die nächsten Wahlen gegen eine wieder erstarkte Berliner CDU einen zugkräftigen Kandidaten braucht. Also erteilten sie sowohl dem Ideologen als auch dem Vertreter einer dezidierten Multikulti-Politik eine Absage. Müller dagegen ist politisch in seinem Pragmatismus, der manchmal farblos wirken kann, ein Angebot für breitere Wählerschichten.

Die Sozialdemokraten machten mit ihrem klaren Votum auch klar: Nach dem schillernden Klaus Wowereit wollen wir weniger Glamour, weniger Party, weniger Aktionismus. Und mehr Konzentration auf die Mühen des politischen Klein-Klein, auf Stadtentwicklung und Haushalt. Müller verkörpert das. Er kokettierte bei seinen Auftritten an der Basis erfolgreich mit seiner "Normalo"-Ausstrahlung. In einer Stadt, die des Wowereit-Stils überdrüssig geworden ist, könnte sich das als zukunftsträchtig herausstellen.

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