Kommentar zum Staatsüberschuss Der Profit der Krise

BONN · Deutschland geht es wirtschaftlich so gut wie noch nie. Die Arbeitslosigkeit sinkt, der private Konsum bringt die Konjunktur in Schwung und der Staat macht Überschüsse.

18 Milliarden Euro waren es im vergangenen Jahr. Sozialkassen, Kommunen, Länder und der Bund - in der Summe waren sie alle im Plus. Das ist ohne Zweifel eine gute Nachricht. Aber es ist eine Nachricht, die eine Menge Fragen aufwirft.

Beginnen wir mit der europäischen Perspektive. Der Kontinent steckt nach wie vor tief in der Krise. Griechenland probt gerade erfolglos den Aufstand gegen die Sparvorgaben aus Brüssel, deren Urheber vor allem in Deutschland sitzen. Spanien, Irland und Portugal erholen sich langsam, sind aber noch lange nicht über den Berg. Frankreich hat das Schlimmste noch vor sich. Dort ist man weit entfernt von irgendwelchen Erfolgsmeldungen.

Jede Krise hat ihre Verlierer und ihre Gewinner. Wer hier gerade welche Rolle übernimmt, ist mehr als deutlich. Wenn Deutschland in der Europapolitik glaubwürdig bleiben will, dann muss es weiter Verantwortung übernehmen, die auch durchaus Geld kosten kann. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Bundesrepublik sich auf Kosten der schwächeren Partner saniert. Eine wirtschaftliche Schieflage wie zur Zeit mag kurzfristig zu ertragen sein; eine langfristige politische Perspektive bietet sie nicht. Die Integrationsschwäche der EU, wie sie sich an Ungarn, Großbritannien oder Griechenland zeigt, ist ein Alarmsignal. Es lohnt sich, auch aus dieser Perspektive über die Forderungen der Griechen nachzudenken. Das Ergebnis ist dann nicht mehr zwangsläufig die harte Haltung, die in der Politik und den hiesigen Medien so populär ist.

Und auch innenpolitisch werfen die 18 Milliarden Fragen auf. Sie belegen ein erhebliches Verteilungsproblem. Wenn alle Kommunen insgesamt schwarze Zahlen schreiben, dann gehören viele Städte in Nordrhein-Westfalen definitiv nicht dazu. Sie sind so hoch verschuldet, dass sie keine Perspektive mehr haben, jemals wieder handlungsfähig zu werden. Gleiches gilt für einige Länder. Bremen, Schleswig-Holstein oder das Saarland haben ebenfalls keine Chance, aus eigener Kraft eine Wende zu schaffen. Ihre Existenz steht in Frage. Auf der anderen Seite gibt es dann aber Bayern, Hessen und Baden-Württemberg, denen es sehr gut geht. Dass der Bund von allen Körperschaften die besten Einnahmen hat, sei nur am Rande bemerkt. Ganz so wie in Europa gibt es Gewinner und Verlierer, die nicht zwangsläufig im Osten Deutschlands zu finden sind.

Die Ungleichheit offenbart einen erheblichen Reformbedarf bei der Verteilung der Finanzen. Eine Altschuldenregelung und eine Neuverteilung der Steuergelder ist dringend erforderlich. Die Phase einer guten Konjunktur ist der geeignete Zeitpunkt, die Probleme endlich anzupacken.

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