Evangelischen Kirche in Deutschland Der "Menschenfischer" Nikolaus Schneider geht

DRESDEN · "Die Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft" lautet das theologische Schwerpunktthema der an diesem Sonntag mit einem Gottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche zur Erinnerung an den 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer beginnenden Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Bis Mittwoch beraten die 126 Mitglieder des "Parlaments" der rund 23 Millionen Protestanten eine umfangreiche Tagesordnung. Doch im Mittelpunkt des Interesses steht ein Mann, der sich am Mittwochabend in der Frauenkirche mit einer Predigt verabschiedet: Nikolaus Schneider (67), seit 2010 Vorsitzender des 15-köpfigen Rates der EKD und somit höchster Repräsentant der evangelischen Christen.

Der Abschied fällt dem Ratsvorsitzenden nicht leicht, wie er zu Beginn der Woche in Berlin in einem kleinen Kreis von Journalisten freimütig bekannte. Aber der Mann aus einfachen Duisburger Verhältnissen mit einer beispiellosen kirchlichen Karriere (unter anderem Superintendent in Moers, rheinischer Präses von 2003 bis 2013, Vorsitzender des inzwischen zusammengelegten Evangelischen Entwicklungsdienstes und des Diakonischen Werkes) gibt sein Amt vorzeitig für seine schwer erkrankte Frau Anne auf.

Eigentlich hätte sein Mandat erst in einem Jahr geendet. In einem Interview bekannte Schneider, dass er im Gegensatz zu seiner Frau auch in schwerster Not gegen jede aktive Sterbehilfe ist. Doch aus Liebe würde er seine Frau bei einem solchen Schritt begleiten, wenn diese keinen anderen Ausweg mehr für sich sehen würde.

Schneider, der als stellvertretender Ratsvorsitzender 2010 die Nachfolge der von ihrem Amt zurückgetretenen Ratsvorsitzenden Margot Käßmann antreten musste, hat sich stets für die Aussöhnung zwischen Juden und Christen eingesetzt, was ihm die höchsten Auszeichnungen wie die Buber-Rosenzweig-Medaille und den Leo-Baeck-Preis einbrachten. Er war so etwas wie das soziale Gewissen der EKD. Die Ökumene liegt ihm ebenfalls sehr am Herzen. Er traf Papst Benedikt XVI. 2011 bei dessen Deutschlandbesuch und wurde von Papst Franziskus in Privataudienz empfangen.

Vor allem die Begegnung mit Papst Franziskus hat bei Schneider tiefe Spuren hinterlassen. Beide Repräsentanten ihrer jeweiligen Kirche verstanden sich auf Anhieb. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil beide als "Menschenfischer" weit über ihre eigene Kirche hinaus beliebt sind. Wenn Schneider im kleinen Kreis von seinen Papst-Begegnungen berichtet, dann wird schnell deutlich, dass der berühmte Funke zwischen Franziskus und Schneider übergesprungen ist.

Im Protestantismus hinterlässt Schneider eine große Lücke - obwohl er so ganz anders war als seine Vorgänger Wolfgang Huber und Margot Käßmann. Er war ein Brückenbauer - über innerprotestantische, konfessionelle und soziale Gräben hinweg. Sein Nachfolger, der am Dienstag gewählt werden soll, wird wohl Professor Heinrich Bedford-Strohm (52) heißen, Landesbischof von Bayern.

Es kann auch sein, dass sich die Synode für den jetzigen Stellvertreter Schneiders entscheidet, Sachsens Landesbischof Jochen Bohl (64), der im kommenden Jahr ohnehin aus Altersgründen ausscheidet. Der Grund: 2015 wählen die 20 Mitgliedskirchen der EKD für sechs Jahre eine neue Synode. Rund 20 Mitglieder werden vom Rat ernannt. Mit der Wahl Bohls würde deutlich, dass man der neuen Synode nicht vorgreifen würde, die im November 2015 einen neuen Rat wählen muss.

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