Sigmar Gabriel Der 13. Mann - ein Portrait

BERLIN · Das schönste Amt außer Papst? Franz Müntefering brachte es im Februar 2004 augenzwinkernd auf den Punkt, als er von Gerhard Schröder nach Absturz in der Wählergunst und anhaltendem Unmut über die Agenda 2010 den SPD-Vorsitz übernahm.

 Sigmar Gabriel.

Sigmar Gabriel.

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Müntefering muss es schließlich wissen: Er war als Einziger zwei Mal SPD-Chef, bevor er am 23. November 2009 den Parteivorsitz an Sigmar Gabriel übergab. Morgen ist Gabriel fünf Jahre SPD-Chef. So lange wie kein anderer seit Übervater Willy Brandt.

Gabriels ursprünglicher Auftrag: Wiederaufbau. Zugespitzt war der 55-jährige Pädagoge aus Goslar mit Erfahrung in der politischen Erwachsenenbildung gewissermaßen der Trümmermann der Sozialdemokratie. Die SPD lag damals am Boden, aufgeprallt mit einem für eine Volkspartei desaströsen Ergebnis von 23,0 Prozent bei der Bundestagswahl zwei Monate zuvor. Die Genossen waren geschockt. Ein bis dato einmalig tiefer Fall in der Parteigeschichte.

Gabriel ist der 13. Mann an der Spitze der Bundes-SPD seit 1945. Dass er sich bis heute dort gehalten hat und morgen fünf Jahre im Amt ist, hängt mit seinem außerordentlichen Machtinstinkt zusammen, der personellen Alternativlosigkeit und auch mit einem aus Sicht vieler Sozialdemokraten überdurchschnittlichem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU. Die SPD-Basis bescheinigte Gabriel gute Verhandlungsführung sogar unter notarieller Aufsicht: Beim SPD-Mitgliederentscheid Ende vergangenen Jahres stimmten 75,96 Prozent für den Weg in die große Koalition. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident und spätere Bundesumweltminister sicherte sich dabei ein Superministerium für Wirtschaft und Energie und stieg zum Vizekanzler auf.

Gabriel hatte die Delegierten des Dresdner Parteitages im November 2009 auf harte Zeiten eingestimmt. Die SPD habe seit 1998 zehn Millionen Wähler "in alle Richtungen verloren". Sein ungeschminkter Befund: "Eine Partei, der das passiert, hat eines nicht: ein sichtbares Profil." Gabriel will der SPD genau dies zurückgeben. Sein rhetorisches Vermögen steht außer Frage. Ob Eisbär Knut oder Stromtrasse, egal, Gabriel unterhält den Saal.

Die SPD habe "in Etappen verloren" und müsse auch in Etappen zurückgewinnen, analysierte er am Tag seiner Wahl zum Parteichef. Dies allerdings ist auch unter Gabriels Führung nur sehr bedingt gelungen. Zwar schaffte die SPD in mehreren Bundesländern neue Regierungsbeteiligungen. In Baden-Württemberg und nun wohl auch in Thüringen verdrängte sie unter Mithilfe von Grünen und Linken nach Jahrzehnten die CDU von der Regierung, allerdings zum Preis, als Juniorpartner der Grünen beziehungsweise der Linken fungieren zu müssen. Unterdessen kommt die SPD im Bund weiter nicht entscheidend von der Stelle und blieb auch bei der letzten Bundestagswahl deutlich unter 30 Prozent (25,7 Prozent). Gabriel hat seine Partei stabilisiert, wenngleich auf ausbaufähigem Niveau.

Gabriels Mission ist nicht beendet. Denn ein SPD-Chef muss den Anspruch haben, dass seine Partei den Kanzler stellt. Schon zum Antritt 2009 hatte Gabriel seinen Genossen Mut gemacht: Angela Merkel und Guido Westerwelle seien "weder in der Mitte noch dauerhaft in der Mehrheit". Die FDP ist fürs erste außerparlamentarische Opposition. Doch Merkel, mit der Gabriel ein gutes Arbeitsverhältnis pflegt, steht seinem Anspruch breit im Weg. An ihr muss vorbei, wer ins Kanzleramt will. 2017 womöglich Gabriel selbst.

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