Evangelischer Kirchentag "Damit wir klug werden"

STUTTGART · Stuttgart erwartet vom 3. - 7. Juni 100 000 Dauer- und 25 000 Tagesteilnehmer, darunter viel politische Prominenz

 Eine Helferin faltet in einem Veranstaltungszelt Hocker aus Wellpappe. Rund 55 000 solcher Sitze werden beim Kirchentag in Stuttgart eingesetzt.

Eine Helferin faltet in einem Veranstaltungszelt Hocker aus Wellpappe. Rund 55 000 solcher Sitze werden beim Kirchentag in Stuttgart eingesetzt.

Foto: dpa

Ideal wäre ein schwacher Südwestwind mit leichten Wolken bei 23 Grad." Dieses Wetter wünscht sich das Präsidium des 35. Deutschen Evangelischen Kirchentages vom 3. - 7. Juni in Stuttgart. "Gewitter und starker Regen sind ganz schlimm", heißt es weiter. Vor allem haben die Verantwortlichen des größten christlichen Laientreffens in Deutschland mit rund 100 000 Dauer- und 25 000 Tagesgästen die Eröffnungsgottesdienste und den anschließenden "Abend der Begegnung" in der Stuttgarter City im Blick, zu dem rund 250 000 Menschen erwartet werden und unter die sich auch Bundespräsident Joachim Gauck mischen wird. Aus der rheinischen Kirche machen sich rund 10 000 Teilnehmer auf den Weg in die schwäbische Metropole, davon etwa 2000 aus der Region Bonn.

Erstmals findet der 1949 in Hannover ins Leben gerufene Deutsche Evangelische Kirchentag nicht auf einem Messegelände statt, sondern in einer im Neckarpark auf der Fläche von drei Fußballfeldern errichteten, wiederverwendbaren Zeltstadt. Und mit dem katholischen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, freuen sich alle Teilnehmer "auf ein fröhliches, buntes Fest des Glaubens, des Feierns und der gelebten Ökumene". Unter Anspielung auf die alttestamentliche Losung dieses Treffens - "Damit wir klug werden" - hofft der gastgebende Landesbischof Otfried Juli: "Lassen Sie uns diese gemeinsamen Tage in Stuttgart nutzen, um klüger zu werden."

Präsident des nach 1952, 1969 und 1999 vierten Kirchentages in Stuttgart ist der Chef des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, Professor Andreas Barner: "Die Welt ist aus den Fugen geraten, weil es kein Maß mehr zu geben scheint, kein Maß der Menschlichkeit." Deshalb soll, so der Kirchentagspräsident, auf dem Stuttgarter Kirchentag, der 18 Millionen Euro kosten wird, die Menschlichkeit "eine zentrale Rolle" spielen: "Es soll ein Kirchentag sein, bei dem die Wirtschaft, die wir brauchen, und die Gesellschaft, die wir wollen, aufeinander zugehen."

Für die 2500 Einzelveranstaltungen (das Programmheft umfasst 620 und das Liederheft 175 Seiten) sind 100 hauptamtliche Kräfte, 4500 Helfer (einschließlich Ordner) und 40 000 an der Gestaltung und Durchführung des Kirchentages Mitwirkende verantwortlich. Das macht den Reiz eines jeden Evangelischen Kirchentages aus, dass rund ein Drittel der Teilnehmer das Programm gestalten. Denn Kirchentag bedeutet immer zugleich auch aktive Mitwirkung von Menschen, die an der kirchlichen Basis lange vor dem Großereignis das Programm erarbeiten. Dazu gehören auch die 800 Verbände, Werke und Gruppen, die den "Markt der Möglichkeiten" verantworten. Dieser "Markt" zeigt, was Kirche im Alltag leistet und fördert. Kirche als ein buntes Ereignis.

Auch wenn Bund, Land, Stadt Stuttgart und Landeskirche sowie viele weitere Sponsoren den größten Teil der Kosten tragen, wird von allen Teilnehmern eine Tagungsgebühr von 98 Euro (ermäßigt 54 Euro) erhoben. Eine Tageskarte kostet 33 (ermäßigt 18) Euro, Familien mit Kindern bis zum 25. Lebensjahr zahlen 158 Euro. Wer Grundsicherung bezieht oder Hartz IV erhält, kann für 28 Euro am gesamten Kirchentag teilnehmen. Die Kollekten der großen Gottesdienste sind für die Flüchtlingshilfe bestimmt.

Überhaupt wird die Not der Flüchtlinge auf diesem Kirchentag eine zentrale Rolle spielen und damit die Frage nach Krieg und Frieden. Aber auch nachhaltiges Wirtschaften, die Grenzen des Wachstums, die Klimakatastrophe und das Digitale Zeitalter werden einen Schwerpunkt bei den gesellschaftspolitischen Fragen bilden. Ökumene (allein fünf katholische Bischöfe haben ihre Teilnahme zugesagt), Dialog mit Juden und Moslems sowie anderen Weltreligionen werden einen Schwerpunkt in Fragen des Glaubens setzen, wobei der evangelische Glaube im Alltag nicht zu kurz kommen wird.

Neben den Gottesdiensten bilden traditionell die täglichen einstündigen Bibelarbeiten das Herzstück eines Evangelischen Kirchentages. Zu den Bibelarbeiten, mit denen ein jeder "Arbeitstag" beginnt, sind die unterschiedlichsten Theologen und Laien eingeladen - von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (beide CDU) bis zu Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD), wobei letzterer 2019 Präsident des Dortmunder Kirchentages sein wird. Bibelarbeiten halten aber auch die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Die Grünen) und Bodo Ramelow (Die Linke), der Investigativ-Journalist Hans Leyendecker und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück.

In der Veranstaltungsreihe Hauptvorträge beteiligen sich u.a. als Referenten Bundespräsident Joachim Gauck ("Gutes Leben. Kluges Leben"), Bundeskanzlerin Angela Merkel ("Digital und klug?" ) und Nobelpreisträger Kofi Annan zusammen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ("Die Welt ist aus den Fugen.").

Die Verantwortlichen des Kirchentages hoffen, dass die Zeltstadt im Neckarpark sowie die zahlreichen großen Hallen und Kirchen der Stadt die vielen Besucher aufnehmen können, wobei die jugendlichen Teilnehmer meist Unterkunft in Schulen und Turnhallen finden. Bei der Verpflegung setzt man auf Essen aus der Region Stuttgart und zunehmend auch auf vegetarische Kost. Für Kirchentagspräsident Barner steht schon im Voraus fest: "Stuttgart wird ein Fest des Glaubens".

Den Abschluss bildet am 7. Juni ein großer Freiluft-Gottesdienst auf den Canstatter Wasen, zu dem bis zu 100 000 Teilnehmer erwartet werden. Die nächsten Deutschen Evangelischen Kirchentage finden 2017 in Berlin/Wittenberg und 2019 in Dortmund statt. 2021 soll es einen 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt geben.

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