Asylrecht gegen Arbeitserlaubnis Bundesrat soll drei Balkanstaaten als sicher einstufen

BERLIN · Die Grünen sind seit Tagen alarmiert. Und reagieren seit Wochen verschnupft. Es geht um eines ihrer Kernthemen: Flüchtlinge und Asyl.

Einen ganzen Sommer lang haben es Vertreter der Bundesregierung geschafft, gerade ein einziges Gespräch mit den Grünen zu einem Gesetzesvorhaben zu suchen, für das sie im Bundesrat die Zustimmung mindestens eines Bundeslandes brauchen, in dem die Grünen mitregieren.

Es geht um die Frage: Sollen Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, die allesamt eine Aufnahme in die Europäische Union (EU) anstreben, als sichere Herkunftsländer gelten oder nicht? Aus Sicht der Grünen ein absoluter Aufreger, weil für sie ausgemacht ist, dass die Minderheit der Sinti und Roma in diesen Staaten des westlichen Balkans ausgegrenzt und verfolgt wird.

Der Bundestag hat diese Frage mit der großen Mehrheit von CDU, CSU und SPD gegen die Stimmen von Linken und Grünen noch vor der Sommerpause mit einem klaren Ja beantwortet. Sichere Herkunftsländer bedeutet nach Auffassung der Bundesregierung: Menschen aus diesen Staaten haben keine politische Verfolgung zu befürchten und können, wenn sie einen Asylantrag in Deutschland stellen, folglich schneller wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden.

Für Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist eindeutig: "Das sind sichere Staaten, da findet keine Verfolgung statt." Und auch die nordrhein-westfälische Bundes- und Europaministerin, Angelica Schwall-Düren (SPD), sagt: "Mir fällt es schwer, zu sagen, das sind keine sicheren Herkunftsstaaten, wenn wir sie gleichzeitig als Kandidaten für die EU qualifiziert haben."

Käme der Regierungsentwurf auch im Bundesrat durch, dann hätten Flüchtlinge aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina so gut wie keine Chance mehr auf Asyl in Deutschland. Das Problem für die Bundesregierung: Das Gesetz ist zustimmungspflichtig und braucht somit auch ein Ja der Länderkammer.

Die Grünen sind aktuell in sieben von 16 Bundesländern an der Regierung beteiligt und wollen ihre Zustimmung zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer nur geben, wenn sie im Gegenzug erreichen, dass Asylbewerber und geduldete Ausländer einen leichteren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen. So soll das Arbeitsverbot für Asylbewerber bereits nach drei Monaten fallen.

Zudem wollen die Grünen erreichen, dass die Vorrangprüfung, wonach deutsche Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu bevorzugen sind, gestrichen wird. Das Rot-Grün regierte Nordrhein-Westfalen erhofft sich von einer früheren Arbeitsaufnahme von Asylbewerbern auch eine Entlastung der Kommunen.

Das Grün-Rot regierte Baden-Württemberg plädiert dafür, die sogenannte Residenzpflicht, die Asylbewerbern den Aufenthalt in einer bestimmten Region vorschreibt, ganz zu streichen, wie es die Landesregierung schon umgesetzt habe, betonte Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD).

Die Grünen wollen sich in keinem Fall auseinanderdividieren lassen und im Bundesrat geschlossen abstimmen. Ex-Fraktionschef Jürgen Trittin appellierte denn auch an die Geschlossenheit der Grünen-Phalanx: "Es darf keinen Kompromiss geben, der eine nicht akzeptable Menschenrechtssituation für nicht existent erklärt."

Dass Sinti und Roma als Kompromiss von der geplanten Regelung womöglich ausgenommen werden, gilt rechtlich als extrem angreifbar. Bis zuletzt war völlig offen, ob sich die Grünen mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) im Streit über die von der Regierung geplante Verschärfung des Asylrechts einigen würden. Die Grünen halten Altmaier vor, bis zuletzt nichts für einen Kompromiss vorgelegt zu haben. Eine Vertagung des Streitthemas galt deshalb als ebenso möglich wie das Einschalten des Vermittlungsausschusses.

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