Solidarzuschlag Arm gegen Reich, Ost gegen West

POTSDAM · Stephan Weil hat einfach niemanden gefunden. Der niedersächsische Ministerpräsident hat sich umgehört, aber in der Riege der Regierungschefs mit Unionsparteibuch hat der SPD-Politiker bislang keinen gehört, der tatsächlich auf den Solidarzuschlag verzichten wollte.

 Komplexes Thema: Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering mit Akten vor der Potsdamer Konferenz

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Foto: dpa-Zentralbild

Nun gut, "manche Unionspolitiker tun so, als würden sie künftig auf den Soli verzichten wollen", lästert Weil vor Beginn der Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz gestern in Potsdam.

Zu Wochenbeginn hatten sich die Regierungschefs der SPD- und Grün-geführten Bundesländer geeinigt, den "Soli" nach Ende des Solidarpaktes II Ende 2019 behalten und ab 2020 in ein anderes System überführen zu wollen: in die Einkommensteuer. Das Problem: Nach Lesart der Union käme dies einer Steuererhöhung gleich. Dagegen waren CDU und CSU im zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingetreten.

Nach dem Sondertreffen in Potsdam hatten Weil und andere Vertreter der sogenannten A-Länder, wie die Gruppe der SPD-geführten Länder chiffriert wird, noch immer keine Verzichtserklärung der Union auf dem Tisch. Alle Länderchefs wollen den "Soli" behalten, denn alle brauchen das Geld. Gastgeber Dietmar Woidke (SPD) wie auch Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) verkündeten nachher Konsens in einem Punkt: Die Länder beharren auf dem "Soli" und verlangen vom Bund, der die Einnahmen bislang alleine bekommt, künftig 50 Prozent oder umgerechnet acht Milliarden Euro jährlich aus dem "Soli".

Das wäre eine Hausnummer. Nur über den Weg sei man uneins. Die SPD- und Grün-geführten Bundesländer haben verfassungsrechtliche Bedenken, ob eine Sonderabgabe wie der "Soli" dauerhaft neben einer Gemeinschaftssteuer wie der Einkommensteuer erhoben werden darf. Die Länder mit Unions-Regierung legten keinen eigenen Vorschlag vor.

Die Union muss sich positionieren. Nur wie? Keiner der 16 erwartete von dem Treffen einen Durchbruch. Weder Weil noch Hannelore Kraft (NRW) oder Volker Bouffier (Hessen) glaubten an ein "finales Ergebnis", dazu seien die Probleme einfach zu schwierig. Kraft wollte aber hören, was die Unions-Kollegen "zum Umdenken bewogen" habe, schließlich komme der Vorschlag, den "Soli" in die Einkommensteuer zu überführen, von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Dies hätten die Ministerpräsidenten bei ihrem letzten Treffen "gemeinschaftlich so besprochen".

Die NRW-Regierungschefin hatte schon vor Wochen in Berlin deutlich gemacht, dass sie auf eine Änderung des Ausgleichssystems drängen wird. "Wir bleiben solidarisch, aber die Strukturen werden sich ändern müssen", so Kraft gestern erneut. Sie will besonders die Verteilung der Umsatzsteuer unter den Ländern ändern. So zahlte NRW 2013 rund 2,4 Milliarden Euro in den Umsatzsteuerausgleich ein - der unter allen Bundesländern höchste Betrag. Knapp 700 Millionen Euro seien über den Finanzausgleich an die Landeskasse zurückgeflossen. NRW habe also 1,7 Milliarden Euro mehr bezahlt als bekommen. Doch Kraft blieb allein. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke machte nachher klar: "Die Position von Nordrhein-Westfalen ist eine Einzelposition." Das System des Umsatzsteuerausgleichs sei "insgesamt ein sehr gerechtes".

Nun müssen sich die 16 Regierungschefs einig werden, was sie wollen. Arm und Reich, Ost und West, Nehmer- und Geberländer. Nur drei Länder zahlten im vergangenen Jahr noch mehr in den Finanzausgleich als sie zurückbekamen: Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Bayern und Hessen hatten 2013 beim Verfassungsgericht sogar gegen das Ausgleichssystem geklagt. Laut Bouffier ein "Akt politischer Notwehr".

Am 11. Dezember haben die Länderchefs erst einmal ihren nächsten Termin im Kanzleramt. Kraft: "Da warten wir doch mal ab, was der Bund vorschlagen wird." Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD stehen dazu auf Seite 95 zwei Sätze: "Spätestens Ende 2019 müssen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geordnet sein. Der Länderfinanzausgleich ist zu diesem Zeitpunkt neu zu regeln." Daneben ist eben auch die Zukunft des "Soli" strittig, mit dem SPD- und Grün-regierte Länder auch ihren vielen chronisch klammen Kommunen beispringen wollen. Weil: "Die Kommunen brauchen dringend Unterstützung."

Bislang stehen die Einnahmen aus dem "Soli" alleine dem Bund zu. Bis 2019 könnten die Einnahmen daraus auf 18 Milliarden Euro im Jahr steigen.

Die Länderchefs wollen nicht auf Zeit spielen, weil sie wissen: Jeden Monat später wird es für sie schwieriger. Lieberknecht drückt aufs Tempo, auch wenn sie dann vermutlich nicht mehr im Amt ist: "Im ersten Halbjahr 2015 muss eine Einigung her."

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