Jahresauftakt der FDP in Stuttgart #3K15 oder: Eine Partei sucht ihren Weg

STUTTGART · Die Liberalen heißen jetzt nur noch "Freie Demokraten", haben ein neues Logo und einen kämpferischen Chef.

Das war schon mal kein schlechtes Omen zum Auftakt: Hatten die Sternsinger die Liberalen vor einem Jahr - nach der krachenden Niederlage bei der Bundestagswahl - schlicht ignoriert, sind sie diesmal wieder da - zum Jahresauftakt der FDP in Stuttgart. Da stehen sie also im Foyer des großen Staatstheaters, aber ihnen gegenüber steht nur ein König, der König der FDP, der Vorsitzende Christian Lindner, gerade mal 35 Jahre und damit halb so alt wie die meisten im proppenvollen Opernhaus.

Es gibt ein zweites gutes Omen: 2014 sah es noch so aus, als ob die FDP die Miete für den Dreikönigsauftritt nicht mehr würden zahlen können, doch dann ließ sich die Südwest-FDP nicht lumpen und kratzte die 40.000 Euro zusammen, die in diesem Jahr die zweieinhalb Stunden liberaler Seelenmassage kosteten. An einem Ort, der seit Kriegsende die Jahresauftaktheimat der FDP ist und der selbst in die Jahre gekommen ist: der blaue Teppich arg abgewetzt, das Haus ein Sanierungsfall - wie die FDP selbst.

Die will davon nichts wissen. 2014, so heißt es überall auf den Gängen, sei das Jahr der Selbstvergewisserung gewesen. Jetzt gehe es wieder los. Und wie! Die Bühne ist leer geräumt. Kein Rednerpult, kein FDP-Logo, nur sechs weiße Sessel und ein blauer Kreis, das Rednerrund. Dahinter eine überdimensionierte Leinwand: "#3K15" steht da drauf, sonst zunächst nichts. Die Twitter-Zeichenkette soll heißen: Dreikönig 2015. Später, kaum merklich, als der Fast-Alleinunterhalter Lindner endet, dann das neue Logo: "FDP -Die Liberalen" ist out. "Freie Demokraten" heißt es jetzt - das seit 1968 geltende Partei-Blau und -Gelb ein bisschen aufgefrischt durch Magenta.

Neues Logo, neue Partei? Davor graust es Altvorderen wie dem früheren Chef Klaus Kinkel. Aber recht ist es ihm dann irgendwie doch, nach dem Motto: "Es ist alles richtig, was uns aus dem Loch rausholt." Oder wie es ein junger Liberaler im Foyer sagt: "Ich erwarte ein Lebenszeichen."

Das ist nicht wenig verlangt von einer Partei, die viele schon totgesagt haben. Der junge Liberale bekommt sein Lebenszeichen. Es heißt - Christian Lindner. Eine Stunde hört sich der Chefliberale an, was die Landesliberalen zu sagen haben. Der Landesvorsitzende legt eine XXL-Begrüßung hin, um zu demonstrieren, wie viele Namen die FDP noch aufzuweisen hat und dass sich auch Größen der Südwest-Wirtschaft von Bosch bis BASF im Saal eingefunden haben. Der Fraktionsvorsitzende ergeht sich in mehr oder minder passenden Zitaten. Kabarett am Vormittag. Ein Beispiel: "Wem das Wasser bis zum Hals steht, der sollte den Kopf nicht hängen lassen." Den Saal freut's, doch Lindner will endlich selbst ran.

Eine Stunde und fünfzehn Minuten fesselt er sein Publikum. Zunächst mit Selbstkritik. Nie wieder werde die FDP ihre Selbstachtung aufgeben, so wie sie es nach der 2009 haushoch gewonnen Bundestagswahl getan habe, als sie beim Wahlversprechen Steuerreform nicht Wort halten konnte: "In meinem politischen Leben wird so etwas nicht noch einmal passieren." Scheinbar großzügig verzichtet der Parteichef auf die ansonsten obligate Abrechnung mit Schwarz-Rot: "Wer nur die Schwächen anderer betont, scheint sich seiner Stärken nicht sicher zu sein."

Und Lindner will stark sein. Sonst geht seine FDP unter. Die Landtagswahlen in Hamburg und remen (im Februar und im Mai) mögen noch verloren gehen, aber spätestens 2016 in Baden-Württemberg muss die Wende geschafft werden. "Sonst brauchen wir 2017 im Bund gar nicht mehr antreten", sagt ein alter Liberaler draußen vor dem Schloss. In Hamburg soll es Katja Suding richten, die es zugelassen hat, dass für sie mit dem Slogan "Unser Mann für Hamburg" geworben wird. Da ist sie noch - die alte Spaßpartei anstelle der propagierten neuen Solidität. In Bremen setzen die Liberalen auf Lencke Steiner, eine Spitzenkandidatin ohne FDP-Parteibuch. Kommt auch nicht alle Tage vor.

Lindner zieht - komplett freisprechend - alle Register. "Tatkraft, Optimismus, Freiheitsliebe" lautet sein liberaler Dreiklang. Er stellt Pegida in die Ecke der Brandstifter - nicht ohne Probleme bei der Integration zuzugeben. Er propagiert Bildung als neues Hauptthema Nummer eins der FDP und stellt den Bildungsföderalismus in Frage. Er fordert neue Flexibilität bei der Rente: "125 Jahre unveränderte Rentenversicherung sind kein Grund zum Feiern, sondern zum Heulen". Und er will wieder für die Steuerreform werben. Das alles nennt er "nicht FdH, sondern FDPur". Der Saal tobt. Dreikönig bei der FDP - ein Feiertag.

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