Wirtschaftssanktionen gegen Russland Zuspitzung im Wirtschaftskrieg - Weitere Maßnahmen gegen Putin in der Diskussion

BONN · Die Wirkung der westlichen Sanktionen gegen Russland ist umstritten. Auf der einen Seite ziehen die Maßnahmen die russische Wirtschaft erkennbar in Mitleidenschaft. Russland taumelt am Rande einer Rezession. Investoren meiden das Land, der Finanzaustausch mit dem Westen ist eingeschränkt.

Die Inflationsrate lag im Juni bei fast acht Prozent. Doch bei den Russen bleiben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bisher ohne Folgen. Die Sanktionen schweißen Volk und Führung eher zusammen: 65 Prozent der Befragten gaben bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum an, die Isolation ihres Landes ängstige sie nicht. Russische Politiker überschlagen sich mit Ideen für Gegensanktionen.

Die EU steuert trotzdem auf eine weitere Verschärfung des Sanktionsregimes zu - wohl auch mangels anderer wirksamer Optionen. Eine der durchschlagendsten Waffen könnte eine weitergehende finanzielle Isolierung sein, etwa durch den Ausschluss russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift.

Auch in Russland sind Kreditkarten wie Visa oder Mastercard gängige Zahlungsmittel. Die könnten dann nicht mehr genutzt werden. Die Verbindungen zwischen russischen und westlichen Banken wären auf Anhieb gekappt. Weitere Maßnahmen könnten das Einfrieren weiterer russischer Konten sein, die Blockade von Überweisungen oder ein Verbot des Besitzes von Aktien russischer Firmen.

Insgesamt ist Russland stark abhängig von westlicher Technik: 90 Prozent seiner Passagierflugzeuge stammen aus dem Westen. Weitere Einschränkungen von Wartung und Ersatzteillieferungen würden den Flugverkehr im Riesenland hart treffen.

Auch der wichtigste Wirtschaftszweig Russlands, der Energiesektor, ist stark auf West-Technologie angewiesen. EU und USA könnten bereits bestehende Exportverbote für Hochtechnologie auf diesen Sektor ausdehnen. Ein generelles Importverbot für Öl und Gas aus Russland scheint aber unwahrscheinlich: Auch der Westen würde stark leiden.

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, sieht durch die Sanktionen allerdings die Gefahr einer Rückkopplung - und zwar wegen der eher verdrängten als überwundenen Staatsschuldenkrise. "Auch eigentlich recht kleine Störungen wie die aktuellen Sanktionen haben daher das Potenzial, Europas Konjunktur wieder aus der Bahn zu werfen", schreibt Snower in der Süddeutschen Zeitung. "Die Unsicherheit nimmt zu, und Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft", meint der US-Ökonom. Einen ersten Beleg für seine These sieht Snower im zwischenzeitlichen Absturz der Aktienkurse.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort