Justizfälle in den USA Zeugenaussage war frei erfunden

WASHINGTON · Verbrecherin im einen Fall, Sachwalterin der Gerechtigkeit im anderen: Selten zeigt Justizia in Amerika ihre zwei Gesichter so drastisch wie in diesen Tagen. In Ohio verschaffte sie zwei 39 Jahre lang zu Unrecht hinter Gitter gesteckten Männern die späte Freiheit.

 In Freiheit: Ricky Jackson verlässt das Gericht in Ohio.

In Freiheit: Ricky Jackson verlässt das Gericht in Ohio.

Foto: dpa

In Louisiana sorgt sie dafür, dass der am längsten eingesperrte Isolationssträfling Amerikas wohl auch im 44. Jahr in Haft bleibt. Obwohl ein Berufsgericht gerade zum dritten Mal seine Unschuld festgestellt hat.

Ricky Jackson war 18, als er ins Gefängnis ging. Zusammen mit Wiley Bridgeman soll der schmächtige Afro-Amerikaner Anfang der 70er Jahre in Cleveland einen Geschäftsmann ermordet haben. Die Beweislage war dünn. 1975 wurde den Männern trotzdem der Prozess gemacht. Urteil: Todesstrafe, später umgewandelt in lebenslänglich. Ausgerechnet der (einzige) Zeuge, der ihr Schicksal besiegelte, sorgte jetzt mit einer spektakulären Kehrtwende für die Freilassung. Eddie Vernon, damals zwölf Jahre alt, erleichterte vor wenigen Tagen sein Gewissen.

Auf massiven Druck der Polizei, so der heute 52-Jährige, habe er Jackson und Bridgeman ans Messer geliefert. Sein Augenzeugenbericht vom Mord? Frei erfunden. Zur Tatzeit saß Vernon im Schulbus, Kilometer weit weg. Binnen weniger Minuten setzten Berufungsrichter Richard McMonagle am Freitag Jackson und Bridgeman auf freien Fuß - nach fast vier Jahrzehnten. Um seine Freude auszudrücken, sagte Jackson am Gefängnistor, "reicht die englische Sprache nicht aus".

Noch länger sitzt im Hochsicherheitsgefängnis von Angola im Bundesstaat Louisiana Albert Woodfox ein. Der 67-Jährige, damals wegen Raubes verurteilt, soll 1972 während einer Revolte gemeinsam mit anderen den Gefängniswärter Brent Miller umgebracht haben. Es gab weder Fingerabdrücke noch andere Spuren. Dennoch ist Woodfox seither der am längsten in Isolationshaft einsitzende Häftling der USA. 23 Stunden am Tag Einzelzelle ohne Fenster und Außenkontakte.

Besondere Tragik: Woodfox? Verurteilung wurde seit 1992 von höheren Instanzen bereits dreimal verworfen; zuletzt in der vergangenen Woche. Begründung: fehlerhafte Ermittlungen, keine Beweise, rassistisch motivierte Jury-Zusammensetzungen. Selbst die Witwe des Opfers ergriff für Woodfox Partei. Vergebens.

Der Bundesstaat Louisiana, heute in Gestalt von Justizminister Buddy Caldwell, hielt immer wieder dagegen, gewann auf der Basis von Zeugen, die längst verstorben sind und stigmatisiert den psychisch kranken Woodfox weiter als "gefährlichsten Mann der Erde". Sein Anwalt, George Kendall, fürchtet, dass Woodfox im Gefängnis sterben wird. Es sei denn, es ergeht ihm wie dem Mitangeklagten Herman Wallace. Er kam im Herbst 2013 nach 40 Jahren frei, weil er krebskrank war. Zwei Tage nach seiner Freilassung starb er im Alter von 71 Jahren. In Freiheit.

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