NATO Vor dem Griff zum Roten Telefon

BERLIN · Anders Fogh Rasmussen ließ keinen Zweifel. "Wir müssen sicherstellen, dass das Bündnis jeden Verbündeten gegen jeden Angriff verteidigen kann", sagte er wenige Tage vor dem Nato-Gipfel in Newport im September 2014.

Es war das letzte Gipfeltreffen des Dänen Rasmussen als Nato-Generalsekretär, bevor er an seinen Nachfolger, den Norweger Jens Stoltenberg, übergab, doch ihm war klar: Der Gipfel von Newport könnte "entscheidend in der Nato-Geschichte" werden.

Nicht zuletzt wegen anhaltender Aggressionen Russlands im Grenzgebiet mit der Ukraine wie auch wegen wiederholter Provokationen russischen Militärs an der Ostflanke der Nato im Baltikum hatten Lettland, Litauen und Estland, aber auch Polen und Rumänien mehr Nato-Präsenz in ihren Staaten gefordert. Immer wieder flogen russische Kampfjets provokante Manöver. Im November erregten russische Kriegsschiffe Aufsehen, als sie in den Ärmelkanal vorstießen und dort ein Manöver abhielten.

Die Nato reagierte bei ihrem Gipfel in Newport und beschloss, die Reaktionsfähigkeit ihrer Schnellen Eingreiftruppe nochmals deutlich zu verbessern. Binnen "weniger Tage" soll eine sogenannte "Speerspitze" von bis zu 5000 Soldaten einsatzbereit sein. Dem deutsch-niederländischen Korps in Münster kommt bei dieser Neuaufstellung in einer ersten Phase eine Schlüsselrolle zu.

Es hat vor zwei Wochen das Kommando über die Landstreitkräfte der bisherigen Nato-Response Force übernommen. Daraus soll die sogenannte "Speerspitze" mit einer Reaktionszeit von zwei bis sieben Tagen entstehen. "Wir haben mit dem heutigen Tag eine Truppe mit hoher Bereitschaft", sagte Nato-Generalsekretär Stoltenberg nach einem Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Doch die anhaltenden russischen Provokationen im Luftraum über dem Baltikum haben bei der Nato in Brüssel neue Überlegungen ausgelöst. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" wollen sich die Nato-Verteidigungsminister bei ihrem nächsten Treffen am 5. Februar, einen Tag vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz, über eine mögliche Anpassung der Nuklearstrategie im Bündnis beraten.

Die Ministerrunde tagt demnach zunächst als "Nukleare Planungsgruppe", wo ihnen eine Analyse der Bedrohungsmuster vorgestellt werde, die in den vergangenen Wochen im Hauptquartier erarbeitet worden sei.

Russische Kampfjets sollen demnach in jüngster Zeit Scheinangriffe geflogen haben, seien dabei auf die Ostgrenze der Nato zugerast und hätten erst in letzter Minute wieder abgedreht. Bei einigen dieser Scheinattacken sei für kurze Zeit der Nato-Luftraum verletzt worden.

Dabei hätte die russische Luftwaffe Flugzeuge eingesetzt, die auch nuklear bestückte Marschflugkörper transportieren können, berichtet der "Spiegel". Jetzt wollen die Nato-Staaten darüber beraten, welche Konsequenzen diese russischen Provokationen im Luftraum zum Baltikum für die nukleare Strategie des Bündnisses haben könnten.

Insgesamt seien im vergangenen Jahr Jagdflugzeuge der Nato im Baltikum 150 Mal aufgestiegen, um russische Militärjets abzufangen. Nach "Spiegel"-Informationen soll sich der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, General Philip Breedlove, dafür ausgesprochen haben, wieder ein sogenanntes Rotes Telefon wie zu Zeiten des Kalten Krieges aufzustellen, um jederzeit mit dem russischen Generalstab in Dialog treten und eine mögliche militärische Eskalation abwenden zu können.

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