Abbau der Bundeswehr Von der Breite in die Tiefe

BERLIN · Breite vor Tiefe? Möglichst viele Fähigkeiten vorhalten, aber in keinem Segment spezialisiert? Diesem Leitmotiv, über Jahrzehnte für die deutschen Streitkräfte gültig, will Ursula von der Leyen nicht mehr um jeden Preis folgen.

 Noch nicht auf dem Abstellgleis: Leopard-2-Panzer bei einer Übung in Niedersachsen.

Noch nicht auf dem Abstellgleis: Leopard-2-Panzer bei einer Übung in Niedersachsen.

Foto: dpa

Sie halte "nichts von solchen Schlagworten" wie "Breite vor Tiefe", sagte die Bundesverteidigungsministerin in einem jetzt im Internetportal der Bundeswehr veröffentlichten Interview. Doch Deutschland werde "immer eine angemessene Breite an militärischen Fähigkeiten vorhalten müssen, wie zum Beispiel als Nato-Speerspitze oder bei der Führung der Ausbildungsmissionen im Nordirak und in Afghanistan. Wir brauchen aber ebenso dringend bei einzelnen Schlüsselfähigkeiten mehr Durchhaltetiefe". Als Beispiel nannte sie den Hubschraubertransport, wo man multinational zusammenarbeiten könne.

Von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) hatte zu der von ihm fortgeführten und von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eingeleiteten Neuausrichtung der Bundeswehr betont, Einsatzkontingente müssten in Zukunft "einfacher zusammengestellt werden können, hinreichend robust und in der Lage sein, sich auf wechselnde Einsatzoptionen einzustellen". Daher werde ein "breit angelegtes Fähigkeitsspektrum benötigt". Doch inzwischen hat die Ukraine-Krise den Blick der Nato für alte Fähigkeiten neu geschärft. Noch bei ihrem Gipfel vergangenes Jahr in Wales beschloss die Allianz, zum Schutz der baltischen Nato-Partner wie auch von Polen, Rumänien und Bulgarien, eine neue Speerspitze des Bündnisses aufzustellen. Die rund 5000 Soldaten dieser superschnellen Eingreiftruppe sollen binnen zwei bis sieben Tagen für Einsätze in Konfliktregionen bereitstehen.

Jetzt will die deutsche Verteidigungsministerin die Panzerkräfte der Bundeswehr womöglich weniger stark reduzieren als zunächst geplant. Nach der von de Maizière 2011 in die Spur gesetzten Bundeswehrreform sollte die Zahl der Kampfpanzer des Typs "Leopard 2" von 350 auf 225 reduziert werden. Von der Leyen plädierte in dem Interview nun für eine Rückbesinnung: "Anstatt funktionstüchtige Leopard 2 auszumustern und zu verschrotten, sollten wir überlegen, wie wir das gute, noch vorhandene Material in bestehende Strukturen integrieren können. Deswegen wollen wir am Standort Bergen ein derzeit gekadertes Panzerbataillon aktivieren, vorzugsweise mit ergänzender internationaler Komponente. Wir sind dazu in guten Gesprächen mit den Niederlanden." Ob es mit der Aktivierung des Bataillons in Bergen bei der Obergrenze von 225 bleiben kann, ist zumindest offen.

Von der Leyen stellte auch das sogenannte "dynamische Verfügbarkeitsmanagement" in der Truppe infrage, mit dem eine Mangelverwaltung gemeint ist, bei dem beispielsweise Gerät des Heeres bei Bedarf auch anderen Truppenteilen zur Verfügung gestellt wird. Die Ministerin verwies nun darauf, dass dieses "dynamische Verfügbarkeitsmanagement" in der Breite der Bundeswehr noch überhaupt nicht in Kraft sei. Von der Leyen räumte ein, dass viele Soldatinnen und Soldaten bereits heute "an allen Ecken und Enden Materialengpässe" erlebten. Ob man es "dynamisches Verfügbarkeitsmanagement" oder anders nenne: "Entscheidend ist doch, dass die Bundeswehr nicht schleichend in eine Mängelverwaltung hineingeraten darf, die zunehmend den Grund- und Ausbildungsbetrieb aushöhlt."

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