Porträt über Joe Biden Vize for President?

WASHINGTON · Er könnte nach fast 40 Jahren im Senat und nunmehr sechseinhalb Jahren als Vizepräsident an der Seite von Barack Obama im Januar 2017 erfüllt in Rente gehen. Er wäre dann 74. Aber Joseph ("Joe") Robinette Biden erwägt nach übereinstimmenden Medienberichten in den USA eine Fortsetzung seiner Laufbahn - und zwar ganz oben.

 Barack Obamas Stellvertreter Joe Biden liebäugelt mit einer Kandidatur 2016.

Barack Obamas Stellvertreter Joe Biden liebäugelt mit einer Kandidatur 2016.

Foto: dpa

Die Nr. 2 im Weißen Haus, demokratisches Urgestein, testet die Chancen auf eine eigene Präsidentschaftskandidatur. Hillary Clinton, seit Monaten im Lager der Demokraten als beinahe uneinholbare Aspirantin auf das Bewerbungsticket gehandelt, bekäme damit prominente und etablierte Konkurrenz.

Der Zeitpunkt der Berichterstattung über Bidens Gedankenspiele am vergangenen Wochenende kam nicht zufällig. Maureen Dowd, glänzend vernetzte Kolumnistin der New York Times (und keine glühende Clinton-Verehrerin), hatte aus internen Zirkeln erfahren, dass Biden nach einem schweren privatem Rückschlag gegenüber Freunden und potenziellen Geldgebern laut über den Start einer möglichen Kampagne nachgedacht haben soll. Beau, sein im Mai im Alter von 46 Jahren an Krebs gestorbener Sohn, soll den Vater noch auf dem Sterbebett ermutigt haben, das Land nicht wieder "den Clintons" zu überlassen, heißt es in der "New York Times". Biden, einer der dienstältesten Profis im Washingtoner Politik-Getriebe, könnte dem Ruf folgen.

Hauptgrund neben persönlicher Eitelkeit und dem Glauben, der Nation dienen zu können: Hillary Clinton hatte zuletzt in Umfragen schwer zu kämpfen. Eine taufrische Befragung des renommierten Quinnipiac-Instituts ergibt, dass 57 Prozent der Wahlberechtigten Frau Clinton für "nicht ehrlich und vertrauenswürdig" halten. Dabei spielt auch die noch lange nicht ausgestandene Affäre um die mögliche Verschleierung ihres dienstlichen E-Mail-Verkehrs als Außenministerin über einen privaten Computer-Server eine Rolle. Clinton muss sich zudem demnächst vor einem Parlamentsausschuss wegen des tödlichen Terror-Attentats auf vier amerikanische Diplomaten 2012 im libyschen Bengasi verantworten; sie war damals Chefin im US-Außenministerium.

52 Prozent der Befragten waren zudem der Meinung, dass die Gattin von Alt-Präsident Bill Clinton sich letztlich nicht wirklich um die Sorgen der Menschen schere. Biden dagegen attestierten 58 Prozent hohe Glaubwürdigkeit. In ersten Stellungnahmen wiegelten Sprecher aus dem Lager des Vizepräsidenten ab. Biden, der bereits 1988 und 2008 in das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur eingestiegen war, trauere noch immer um seinen Sohn und konzentriere sich ansonsten ganz auf die Agenda von Präsident Obama, hieß es.

Im Hintergrund sondieren aber Vertraute des in Wilmington/US-Bundesstaat Delaware lebenden Berufspolitikers, ob in wenigen Wochen der Aufbau einer schlagkräftigen Wahlkampforganisation mit solventen Geldgebern gelingen kann. Mögliche Zielsetzung: Anfang 2016 in den ersten Vorwahl-Staaten New Hampshire und Iowa Clinton Paroli bieten - und dann weitersehen. Die Tatsache, dass Clintons Konkurrent auf der linken Außenbahn, der selbst ernannte Sozialist Bernie Sanders aus Vermont, bei vielen Wählern blendend ankommt, könnte Biden darin bestärken, was in der Partei der Demokraten längst Flurgespräch ist: "Wir brauchen mehr Konkurrenz." Anfang September will Joe Biden sich endgültig erklären.

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