Obama schiebt Hagel ab Verteidigungsminister muss auf Druck des Präsidenten gehen

WASHINGTON · Der Wind blies Chuck Hagel schon lange vor seinem Rücktritt ins wettergegerbte Gesicht. Vor Antritt im Februar 2013 musste der knorrige Republikaner als erster Pentagon-Chef eine entwürdigende Endlos-Debatte über sich ergehen lassen, bis seine Nominierung genehmigt war.

Seine früheren Parteifreunde nahmen dem als Freigeist bekannten Familienvater übel, dass er sich von Obama anwerben ließ. Schon damals fiel auf, woran es dem ehemaligen Senator aus dem ländlichen Nebraska, der es als Mobilfunkunternehmer zum Multimillionär brachte, gebricht: rhetorische Brillanz und Schlagfertigkeit.

Sekundärtugenden, die vielleicht hilfreich gewesen wären, um Zoff mit dem Weißen Haus beizeiten abzufedern. Etwa Meinungsverschiedenheiten mit Präsident Barack Obama in der Frage, wie robust Amerikas Antwort auf die in Syrien und im Irak aktive Terror-Miliz "Islamischer Staat" auszusehen hat.

Und ab wann. Hagel, ein hochdekorierter Veteran, der im Vietnam-Krieg im Mekong-Delta zweimal verletzt wurde, hatte die Syrien-Politik des Commanders-in-Chief (sehr zur Freud der Republikaner) öffentlich als unentschlossen erscheinen lassen.

Als Obama die Dschihadisten noch insgeheim belächelte, sprach Hagel bereits von der "zurzeit größten Bedrohung für die Sicherheit Amerikas". Kaum zeigt sich die Regierungszentrale vergrätzt, ruderte Hagel kleinlaut zurück. Ein schiefes Bild, das Obama nicht länger mit ansehen wollte.

Auf Drängen des Präsidenten, der nach der herben Niederlage seiner demokratischen Partei am 4. November an allen Fronten demonstrativ um Führungsstärke bemüht ist, hat der 68-Jährige jetzt seinen Posten nach gerade einmal 20 Monaten abgeben müssen.

Auf diese Darstellung legten Regierungskreise bei der Abschieds-Inszenierung, bei der Hagel gestern wie üblich nur Lob und Dank erfuhr, viel Wert. Obama sollte nicht als "lahme Ente" erscheinen, dem in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit nach Justizminister Eric Holder schon wieder ein wichtiges Kabinettsmitglied die kalte Schulter zeigt.

Im Weißen Haus gebe es die Auffassung, zur Bekämpfung des IS würden jetzt "andere Fähigkeiten benötigt, als sie Hagel in das Amt brachte", schreibt die Zeitung New York Times.

Viel Druck auf Hagel war nicht nötig. Hagel selbst wirkte in den vergangenen Monaten oft resigniert und noch hölzerner als gewöhnlich. Nicht er war zuletzt das markanteste Gesicht der größten Militärmaschine weltweit - sondern der alerte Generalstabschef Martin Dempsey, der das uneingeschränkte Vertrauen Obamas genießt. Einstweilen.

Hagel, nach seiner Kriegserfahrung eher Taube denn Falke, fand im Pentagon eine schlechte Ausgangsposition vor. Die Haushaltsmisere, ausgelöst durch die horrend teuren Kriege im Irak und in Afghanistan, legte ihm Sparzwänge auf.

Die neuen Bedrohungen, Beispiel: Islamischer Staat, verstärkten gleichzeitig den Ruf der Generäle nach mehr Geld. Dazu kamen viele Pannen und Peinlichkeiten. Führungsdefizite, Schludrigkeiten und Test-Betrug in der für die Atom-Raketen zuständigen Abteilung der Streitkräfte machten die USA global zum Gespött.

Auch die Tatsache, dass ehemalige Soldaten vom Veteranen-Ministerium nicht in angemessener Zeit medizinische Betreuung erfuhren, und manchmal darüber starben, hat das Ansehen des Militärs nicht verbessert. Hagel konnte in beiden Fällen, die seine Vorgänger Panetta und Gates verbockt hatten, nicht mehr als umfassende Reformen versprechen.

Wer seine Nachfolge antritt, war gestern noch nicht öffentlich bekannt. Mit Michele Flournoy und Ashton Carter kursierten Namen, die früher im Pentagon-Apparat Spuren hinterließen. Aber auch dem demokratischen Senator Jack Reed werden Chancen nachgesagt. Klar ist: die Republikaner, die ab Januar im Kongress die komplette Mehrheit haben, werden die Nominierung mit Argusaugen verfolgen. Eine weitere "Taube" wird Obama ihnen nicht vorsetzen.

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