Waffenruhe in Nahost Verbitterung in Israel, gedämpfte Hoffnung in Gaza

JERUSALEM · Unterschiedlicher konnten die Bilder nicht sein: Während die Palästinenser im Gaza-Streifen mit Freudenschüssen die Einstellung der Gefechte in der Nacht zum Mittwoch feierten, herrschten in Israel Verbitterung, Sprachlosigkeit und Entsetzen vor.

Der Vorsitzende des Regionalrats von Eschkol im Süden Israels, Chaim Jellin, riet den Bewohnern der Kibbutzim im Grenzgebiet zu Gaza am Mittwoch, noch mindestens zwei Tage abzuwarten, bevor sie ihre Häuser wieder beziehen.

Vor drei Wochen hatte die israelische Regierung bereits einmal grünes Licht für die Rückkehr der Bevölkerung gegeben, die während der israelischen Militäroperation "Fels in der Brandung" in Scharen in den ruhigeren Norden geflüchtet war. Das Kabinett Benjamin Netanjahus würde sicherlich bessere Entscheidungen treffen, wenn es nicht in Jerusalem, sondern nahe Gaza tagte, meinte Jellin.

Er bezeichnete die Regierung als "großen Zirkus". Dabei ist auch bei den Palästinensern die Hoffnung bestenfalls gedämpft, dass nach dem dritten blutigen Konflikt seit 2009 um den Gaza-Streifen die Dinge besser werden. Mit den Sofortmaßnahmen - Öffnung der Grenzübergänge für Hilfspersonal und Material zum Wiederaufbau der über 17.000 zerstörten Wohnungen, Ausweitung der Fischereizone auf sechs Seemeilen - kann und wird sich kein Gaza-Bewohner zufriedengeben. Die Knackpunkte - der freie Personenverkehr zwischen Gaza und dem Westjordanland, der Bau eines See- und eines Flughafens - sollen erst binnen vier Wochen verhandelt werden.

Eine israelische Zeitung sprach daher auch von einem "Pyrrhussieg" für beide Seiten. Israel sieht die militärische Schwächung der Hamas als seinen Erfolg, für die Palästinenser zählt die Tatsache, dass sie die israelische Bevölkerung mit ihren Raketen und Granaten über sieben Wochen in Angst und Schrecken versetzen konnten. Ob am Ende die gewünschten Folgen eintreten - dauerhafte Sicherheit für die Israelis, wirtschaftlicher Aufschwung und Bewegungsfreiheit für die Bewohner Gazas - ist völlig ungewiss. Hinzu kommt der Ansehensverlust für die Politiker.

"Dieser Krieg hat nicht zur Popularisierung der politischen Führer beigetragen, im Gegenteil. Weder auf palästinensischer noch auf israelischer Seite", erklärt Hans-Maria Heyn, der das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Palästinensergebiete in Ramallah leitet. Das Ansehen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sei noch schlechter als vor dem Krieg.

Notwendig sei, dass die Hamas ihr Gewaltmonopol in Gaza verliert und die Palästinensische Autonomiebehörde es wieder bekommt. "Aber das ist ein langer Prozess, das wird Monate, vielleicht sogar ein Jahr dauern." Er empfiehlt eine Entwaffnung der radikalislamischen Organisation, weil sonst die Gefahr bestehe, "dass noch extremere Gruppen als die Hamas die Oberhand gewinnen".

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