Prozess um Austauschschüler Diren Todesschütze wird schuldig gesprochen

WASHINGTON · „Direns Leben war mehr wert als ein paar Dosen Bier“. Der Schlüsselsatz, den Staatsanwältin Karla Painter in ihrem Schlussplädoyer formulierte, ist im Prozess nach den tödlichen Schüssen auf den deutschen Austauschschüler Diren Dede (17) in Missoula/US-Bundesstaat Montana bei der Jury offenbar hängengeblieben.

Die Geschworenen, vier Männern und acht Frauen, sprachen den Todesschützen Markus Kaarma gestern der fahrlässigen Tötung schuldig. Der frühere Feuerwehrmann (30), der am 27. April Dede bei einem versuchten Einbruch in seiner Garage erwischte und ohne Vorwarnung mit einer Schrotflinte erschoss, muss für mindestens zehn Jahre ins Gefängnis. Das Strafmaß kann aber auch deutlich höher ausfallen.

Richter Ed McLean wird es erst in einigen Wochen verkünden. Als die Entscheidung der Jury, die zwölf Stunden beraten hatte, kurz nach der Mittagspause bekannt wurde, kam es im Gerichtssaal der 70.000 Einwohner-Stadt zu emotionalen Szenen. Dedes Eltern, die aus Hamburg-Altona angereist waren und jeden Prozesstag mitverfolgten, weinten. „Jeder bekommt die Strafe, die er verdient“, sagte Vater Celal. Mutter Gülcin war sprachlos.

Auch Freunde des Opfers, das an seiner Gastschule in Missoula nicht nur wegen großer Fußballkünste sehr beliebt war, ließen ihren Gefühlen freien Lauf: „Gerechtigkeit für Diren - endlich!“Markus Kaarma, dessen Verteidiger bis zuletzt penetrant ein besonderes Notwehrrecht („castle doctrine“) für seinen Mandanten geltend gemacht hatte, blieb wie versteinert sitzen, bevor er von Polizisten abgeführt wurde. Seine Lebensgefährtin Jannelle Pflager guckte geistesabwesend. Mit dem Urteil war klar:

Die Geschworenen nahmen Kaarma nicht ab, dass er in der Tatnacht um sein Leben und das seiner jungen Familie gebangt haben will, als er den bei Gasteltern in der Nachbarschaft wohnenden Dede nachts in seiner Garage bemerkte und viermal abdrückte. Nach Aussagen eines ecuadorianischen Austauschschüler-Freundes des Opfers war der türkischstämmige Dede an jenem Abend im vergangenen Frühjahr aus Langeweile auf der Suche nach einem kostenlosen Getränk durch die Straßen gestreift. „Garage-Hopping“ nennen das, nicht nur in Montana, Jugendliche in den USA. Und meinen damit eine Art Mutprobe.

Für Dede endete sie tödlich, weil Kaarma nach vorherigen Einbrüchen in seine Garage aus Wut über die Untätigkeit der Polizei selbst für Ordnung sorgen wollte. „Ich werde diese verdammten Kids abknallen“, hatte er wenige Tage vor der Tat bei seinem Friseur angekündigt, „ich mache keine Witze, ihr werdet das im Fernsehen sehen.“ Um sich vorzubereiten auf einen weiteren Eindringling, hatten Kaarma und seine Lebenspartnerin die Garage mit Kamera und Mikrofon präpariert und bewusst offenstehen lassen.

„Diren, ein unbewaffnetes Kind, wurde gewaltsam und sinnlos hingerichtet“, hatte die Staatsanwältin gesagt und eindringlich appelliert, dem Angeklagten und den Eltern Direns zu demonstrieren, dass „wir nicht in einem gesetzlosen Staat leben, auch wenn wir eine starke Waffenkultur haben". Kaarmas Anwalt Paul Ryan kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Die Rechte seines Mandanten, als Hausbesitzer notfalls tödliche Gewalt zum Schutz des Eigentums anzuwenden, seien missachtet worden.

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