Ungeschicklichkeit und Spesenmissbrauch Roms Bürgermeister tritt als Witzfigur ab

Rom · Er war nicht gut gelaunt, das sah man Ignazio Marino an. Als der Bürgermeister der Stadt Rom gestern über den Kapitolshügel lief, da rief er sarkastisch: "Wir feiern jetzt die Liebe." Marino, der am Vorabend seinen Rücktritt angekündigt hatte, zelebrierte als eine seiner letzten Amtshandlungen noch eine Hochzeit.

Doch von Liebe, geschweige denn von Sympathie oder Fairness konnte schon lange keine Rede mehr sein im Verhältnis des Bürgermeisters zu seiner Stadt.

Marino ist an einer Mischung aus Selbstüberschätzung, Tölpelhaftigkeit und massivem internen Widerstand gescheitert. Mitglieder seiner eigenen "Demokratischen Partei" hatten dem Bürgermeister das Vertrauen entzogen. Dabei hätte die Stadt Rom nichts nötiger als eine funktionierende Verwaltung.

Zum üblichen Verkehrschaos gesellte sich auch noch ein kriminelles Netzwerk namens "Mafia Capitale", das einen Teil der Stadtverwaltung unterwandert hatte. In zwei Monaten beginnt das von Papst Franziskus ausgerufene "Heilige Jahr der Barmherzigkeit", bis zu 35 Millionen Besucher werden erwartet. Marino gerierte sich als Krisenmanager und endete als gedemütigte Witzfigur.

Denn nicht die mangelnde Bewältigung der zahlreichen Probleme gab den Ausschlag. Der Bürgermeister stolperte letztlich über zweifelhafte Abrechnungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, Marino kündigte Mitte der Woche die Rückzahlung von Spesen in Höhe von 20 000 Euro an. Aber da war es schon zu spät. Zum Niedergang trug bei, dass der 60Jährige Chirurg den Standards des römisch-italienischen Machtsystems in keiner Weise entsprach. Marino fuhr mit dem Fahrrad ins Büro, erst als er Morddrohungen erhielt, stieg er auf die Limousine um. Die Widerstände gegen ihn wurden stärker, je mehr er versuchte, das Korruptionssystem der Stadt zu beschneiden und neue Ausschreibungsverfahren einzuführen.

Schließlich wurde auch der Vorwurf immer unerträglicher, der Bürgermeister glänze durch Abwesenheit. Als Papst Franziskus auf dem Heimflug vom Weltfamilientreffen in Philadelphia gefragt wurde, ob er den mitgereisten Bürgermeister der italienischen Hauptstadt zu dem Treffen eingeladen habe, verneinte er das schroff. Zuvor hatte schon Ministerpräsident Matteo Renzi, ein moderner Machiavelli, Marino jede Führungsqualität abgesprochen. Ohne die Unterstützung der beiden derzeit wichtigsten Persönlichkeiten auf dem italienischen Stiefel, Premier Renzi und Papst Franziskus, begann der Boden unter Marino rasch zu erodieren.

Als zuletzt Vorwürfe über einen großzügigen und privaten Gebrauch einer Kreditkarte für Spesen aufkamen, schaufelte sich Marino selbst das politische Grab. Er veröffentlichte sämtliche Rechnungen und gab die bewirteten Personen an. Diese dementierten die Treffen einer nach dem anderen.

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