Kampf gegen den Islamischen Staat Obama: "Ideologen werden nicht mit Waffen besiegt"

WASHINGTON · Als Barack Obama zu Beginn der militärischen Aktionen gegen das Terror-Netzwerk Islamischer Staat (IS) einräumte, dass die USA noch keine umfassende Strategie gegen die Mörderbande um den selbsternannten Kalifen Abu Bakr Al Baghdadi haben, wurde das in Washington vielfach als ehrliche Offenheit gewertet. 5000 Luftschläge gegen die sich über den Irak und Syrien hinaus ausbreitenden Dschihadisten später reagiert die Opposition in Amerika nur noch mit Kopfschütteln auf die jüngste Lagebeurteilung des Präsidenten.

John McCain, sein ewiger Widersacher auf republikanischer Seite, warf Obama nach dessen Auftritt im Verteidigungsministerium einen "beunruhigenden Grad der Selbsttäuschung" vor. Nirgends sei - anders als von Obama behauptet - erkennbar, dass sich Amerika im Kampf gegen den IS auf der Siegerstraße befinde.

Der Präsident hatte, umringt von Minister Ashton Carter und ranghohen Militärs, im Pentagon im Kern bekundet, dass er das Dilemma um den IS 2017 seinem Nachfolger (oder seiner Nachfolgerin) übergeben wird. Obwohl die aus 60 Nationen bestehende Koalition seit vergangenem Sommer Hunderte Panzer, Stellungen und Camps der Terroristen zerstört und "Tausende Kämpfer" getötet habe, sei der Expansionsdrang des "geschickt" vorgehenden und bis nach Afghanistan und Europa metastasierenden Netzwerks nicht gebrochen worden. "Das wird nicht schnell gehen", erklärte Obama und sagte wie schon vor Monaten weiter "Rückschläge und Fortschritte" voraus.

An seiner Haltung, keine US-Bodentruppen in die Konfliktgebiete zu schicken, hält der Präsident weiter fest. Stattdessen soll die Ausbildung lokaler Kampfeinheiten forciert werden. Dass hier die angestrebte Zielmarke von 5400 Soldaten für dieses Jahr allein in Syrien nach heutigem Stand bei weitem unterschritten wird (es fehlen schlicht genügend Freiwillige), verschwieg Obama nicht und kündigte verstärkte Anstrengungen bei der Rekrutierung an.

Um den Islamischen Staat schrittweise einzudämmen, soll dem Netzwerk das finanzielle Fundament (Öl-Produktion) entzogen werden. Außerdem müsse der IS von der stetigen Personalzufuhr (junge Möchtegern-Dschihadisten aus aller Herren Länder) abgeschnitten werden. Dass militärische Mittel allein dazu nicht ausreichten, steht für Obama fest: "Ideologien werden nicht mit Waffen besiegt, sondern mit besseren Konzepten und verheißungsvolleren Visionen". Die muslimischen Anrainer-Staaten Syriens und Iraks, die sich allesamt der Zerstörung der Terror-Miliz verpflichtet hätten, sieht Obama dabei besonders in der Pflicht.

Im Kontrast zu republikanischen Wortführern, die einen robusten Militäreinsatz unter amerikanischer Flagge fordern und sich dadurch kurzfristig Erfolg versprechen, ist Obama davon überzeugt, dass hinter dem IS ein "Wettbewerb der Ideen" steckt, der mehrere künftige US-Regierungen überdauern wird. "Dieser größere Kampf um Herzen und Köpfe wird eine generationenübergreifende Auseinandersetzung sein."

Befürworter eines gemäßigteren Vorgehens, in dem nicht die Fehler Amerikas aus dem Irak-Krieg 2003 wiederholt werden, zeigten sich nach der Rede zwar grundsätzlich einverstanden mit der Analyse. Sie bemängelten aber, dass Obama einmal mehr im Ungefähren blieb, wenn es darum geht, die Strategie an die realen Verhältnisse anzupassen. So betonte Obama zwar, dass es gegen den IS in Syrien keine Lösung geben könne ohne eine neue Regierung in Damaskus, in der Baschar-al-Assad keinen Platz mehr findet. Wie der Diktator ausgemustert werden soll, ließ Obama aber offen. Ebenfalls verlor er kein Wort darüber, gemeinsam mit Russland, Saudi-Arabien und der Türkei einen neuen Versuch zu unternehmen, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden.

Auch die von humanitären Organisationen seit langem geforderte Einrichtung von Sicherheitszonen für die Zivilbevölkerung entlang der syrischen Grenze zu Jordanien und der Türkei blieb unerwähnt.

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