MH-17 Moskau mag die unangenehmen Nachrichten nicht

MOSKAU · Russland ereifert sich über westliche Presseberichte zum Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs MH-17 über dem Donbass. Gerade erst meldete der niederländische Sender RTL News, Raketenexperten hätten mehrere von einem holländischen Journalisten im Absturzbereich gefundene Stahlfragmente als Teile einer russischen BUK-Rakete identifiziert.

Nicolas De Larrinaga, ein Experte der britischen Militäragentur IHS Jane's. sagte, einer der Stahlsplitter gehöre zur Ladung einer 9M317 BUK-Rakete, der modernisierten Form eines BUK 1-2 Systems. Die deutschen Raketenspezialisten Markus Schiller und Robert Schmücker bestätigen, auch die Berechnung der möglichen Flugbahn des Geschosses ergäbe, dass eine Buk-Rakete die Boeing 777 vom Himmel holte.

Die Passagiermaschine war am 17. Juli bei dem Dorf Grabowa im ostukrainischen Rebellengebiet abgestürzt, alle 298 Insassen kamen ums Leben. Es gilt als sicher, dass die Boeing abgeschossen wurde, prorussische Separatisten und ukrainische Streitkräfte geben sich gegenseitig die Schuld.

Das russische Verteidigungsministerium, das die Rebellen schon damals massiv militärisch unterstützte, verdächtigte erst eine ukrainische Buk-Batterie bei Donezk, dann einen ukrainischen Su-25-Kampfbomber; er habe die in 10 000 Metern Höhe fliegende MH-17 versehentlich abgeschossen.

Das kremlnahe Massenblatt Komsomolskaja Prawda präsentierte vergangenen Dezember einen anonymen Augenzeugen. Dieser sagte, er habe auf einem ukrainischen Militärflugplatz bei Dnepropetrowsk gearbeitet und gesehen, wie am Tag des Abschusses ein Kampfbomber mit einer fehlenden Luft-Luftrakete gelandet sei. Das russische Staatsfernsehen veröffentlichte ein angebliches Satellitenfoto, das zeigt, wie eine Su-25 eine Rakete auf eine Boeing abschießt. Die Aufnahme erwies sich als Fake.

Jetzt reden die Russen ihrerseits von Betrug. "Holländische Märchenerzähler", wetterte die Komsomolskaja Prawda. Ein Sprecher des Verteidigungsministerium bezeichnete es als "absolute Lüge", dass die fotografierten Stahlfragmente zu einer Rakete gehörten, wie sie von modernisierten Buk-Systemen abgefeuert würden.

Vielmehr beweise ihre Form, dass sie zu einer älteren Buk-M1-Rakete gehöre, die auch die Ukraine einsetzt. "Solche Splitter kann man auf jedem Truppenübungsplatz finden und dann an neugierige holländische Journalisten verkaufen", sagte der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin unserer Zeitung.

Außenminister Sergei Lawrow hatte schon am Vortag einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters kritisiert. Reuters interviewte in dem Dörfchen Krasny Oktjabr im Rebellengebiet vier Augenzeugen, die kurz vor dem Absturz eine Rakete am Himmel gesehen hatten. "Offenbar eine Falschinformation", tadelte Lawrow. "Irgendwelche Zeugen, die sich widersprechen, erzählen alberne Dinge."

Aber zuvor hatte auch das deutsche Journalistenteam Correctiv in der Region mehrere Augenzeugen ausfindig gemacht, die den Abschuss einer Rakete von einer fahrbaren Buk-Rampe schilderten. Außer zahlreichen Videos des Fahrzeuges gibt es das Foto einer Rauchsäule, das kurz nach dem Abschuss der Rakete gemacht worden war.

RTL News, die britische Internetrecherchegruppe Bellingcat sowie das russische Portal meduza.io prüften Inhalt und Echtheit des Bildes, der Fotograf wurde auch von niederländischen Ermittlern vernommen, die die Kamera sicherstellten. "Aber die Fahnder schweigen bisher sorgfältig und konzentriert. Warum, weiß keiner", schreibt meduza.io. "Irgendwann müssen sie ihre Ergebnisse doch vorlegen."

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