Peer Steinbrück als Berater für Ukraine Lockruf der Oligarchen

BERLIN · Ex-Finanzminister Peer Steinbrück soll zusammen mit anderen Persönlichkeiten, größtenteils ehemalige europäische Spitzenpolitiker mit Zugang zu Regierungen, der Ukraine beim Staatsaufbau helfen.

Peer Steinbrück als Berater für Ukraine: Lockruf der Oligarchen
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Diese Woche im "Palais Ferstel", Wiens alter Börse. Auf dem Podium einige Elder Statesmen, Spitzen der europäischen Wirtschaft und mit Multi-Milliardär Dimtrij Firtasch auch ein Vertreter des ukrainischen Geldadels, dessen Repräsentanten als Oligarchen einen sehr gemischten Ruf haben. Mittendrin: Peer Steinbrück, ehemaliger Bundesfinanzminister und 2013 auch Kanzlerkandidat der SPD. Kommende Woche wird Steinbrück in Berlin sein neues Buch vorstellen. Der Titel: "Vertagte Zukunft. Die selbstzufriedene Republik". Das passt. Auch in der Ukraine ist Zukunft vertagt.

Um Zukunft und die Bildung einer Republik, jedenfalls um einen funktionierenden Staat, ging es auch bei Steinbrücks Mission in Wien. Denn: Der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident wird demnächst eher regelmäßig Flugtickets nach Kiew buchen lassen. Steinbrück wird Aufbauhelfer in der Ukraine - in seiner bevorzugten Disziplin: dem Finanzsektor.

In Österreichs Hauptstadt gründeten drei Männer vor großer Kulisse den gemeinnützigen Verein "Agentur zur Modernisierung der Ukraine": Karl-Georg Wellmann, Vorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Lord Richard Risby, Mitglied des britischen Oberhauses, sowie der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy. Zum Vorsitzenden des Vereins machten sie den CDU-Abgeordneten Wellmann.

Die drei handeln im Staatsauftrag und folgen dabei gewissermaßen auch einigen Verabredungen des Mitte Februar ausgehandelten Abkommens "Minsk II" in der weißrussischen Hauptstadt. Danach soll die Ukraine bis Ende dieses Jahres eine neue Verfassung haben. Auch die Rechte der Regionen sollen stärker berücksichtigt werden. Das föderale System Deutschlands könnte dabei ein Vorbild sein, wie Wellmann betonte. Insgesamt braucht die Ukraine nach Wellmanns Worten einen Marshall-Plan in dreistelliger Millionen-Höhe. Gas-Unternehmer Firtasch, der wegen eines US-Haftbefehls Österreich nicht verlassen kann und nach Vorwürfen der Korruption bei Auslandsgeschäften nur gegen eine Kaution in Höhe von 125 Millionen Euro auf freiem Fuß ist, will mit Deutschland gemeinsam einen Garantiefonds für Auslandsinvestoren von 500 Millionen Euro schaffen, um das Wirtschaftsleben in der Ukraine überhaupt wieder in Gang zu bringen.

Neben Firtasch haben sich auch die ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow und Viktor Pintschuk, beide gleichfalls milliardenschwer, bereit erklärt, für Reformen und Wiederaufbau Geld in die Hand zu nehmen. Firtasch, Achmetow, Pintschuk und andere sollen zunächst das Geld für den Betrieb der "Agentur für die Modernisierung der Ukraine" geben. "Idealerweise" solle die Finanzierung zu einem späteren Zeitpunkt von der Europäischen Union übernommen werden, wie Wellmann auf Anfrage sagte.

Doch außer Geld braucht es Expertise. Und hier kommt Steinbrück ins Spiel. Der Ex-Finanzminister ist eine von acht Persönlichkeiten, größtenteils ehemalige europäische Spitzenpolitiker mit Zugang zu Regierungen, die der Ukraine beim Staatsaufbau helfen sollen - gegen Honorar. Über die Höhe der Bezüge sei noch nicht gesprochen worden. Vereinsvorsitzender Wellmann: "Die werden irgendetwas kriegen." Der CDU-Abgeordnete rechnet für die Berater mit einem Einsatz von "sechs bis zehn Tagen" im Monat. Nach dem jeweiligen Aufwand soll auch vergütet werden.

Steinbrück soll den Sektor Finanzen, Banken und Steuern übernehmen, der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen soll für Europa zuständig werden, der Verfassungsrechtler und frühere Verteidigungsminister Rupert Scholz soll Justiz und Verfassung neu ordnen. Weitere Mitglieder des Beratergremiums sind unter anderem der ehemalige französische Außenminister Bernard Kouchner (Gesundheit), der frühere EU-Kommissar Peter Mandelson (Handel) oder die einstige Präsidentin des französischen Arbeitgeberverbandes, Laurence Parisot (Wirtschaft). Hauptamtlicher Direktor der Agentur soll Österreichs Ex-Außenminister Michael Spindelegger werden.

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