Putins Pressekonferenz vor 1300 Journalisten "Kämpfen, um zu überleben"

MOSKAU · Der russische Staatschef Wladimir Putin sieht ein Ende der Wirtschaftskrise in spätestens zwei Jahren.

Der russische Staatschef begann am Donnerstag seine zehnte Jahrespressekonferenz in Moskau mit mit dem üblichen Ritual: Er verlas vor 1300 Journalisten Erfolgszahlen. Wladimir Putin verkündete, das Jahresbudget werde dieses Jahr ein Plus von 1,9 Prozent aufweisen, versprach ein Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent und freute sich über eine Rekordernte von 104 Millionen Tonnen sowie 1,7 Prozent Industriewachstum bis Oktober.

Putin, schwarzblauer Anzug, violetter Schlips, predigte Optimismus. "Ich hoffe, der gestern und heute wachsende Rubel wird seine Aufwertung weiter fortsetzen." Dass die russische Währung seit Jahresbeginn ein Drittel ihres Wertes verloren hatte, erklärte er vor allem durch äußere Faktoren: den Fall des Ölpreises sowie die westlichen Sanktionen, die für "25 bis 30 Prozent" der wirtschaftlichen Probleme Russlands verantwortlich seien. Wiederholt verkündete er: "Der Ausweg aus der Krise ist nicht zu vermeiden."

Vor Putins Pressekonferenz hatte die Öffentlichkeit über mögliche Entlassungen spekuliert. Dabei fiel der Name der Zentralbankchefin Elvira Nabiullina und sogar des Premierminister Dmitri Medwedew. Putin aber verteidigte beide: "Ich denke, die Zentralbank und Regierung ergreifen in dieser Lage die angemessenen Maßnahmen." Die Behörden müssten nun "im Handbetrieb" arbeiten, um die Preise für Benzin und Lebensmittel unter Kontrolle zu halten.

Lang- bis mittelfristig, "im ungünstigsten Fall in zwei Jahren" aber werde das Wirtschaftswachstum wieder so hoch sein wie vor der Krise. Die Weltwirtschaft werde wieder wachsen, und mit ihr der Ölpreis und die Nachfragen nach russischen Öl- und Gaslieferungen. Putin: "Es gibt keine günstigeren und sicheren Lieferungen."

Fachleute kommentierten Putins Aussagen wenig begeistert: "Er scheint wirtschaftlich in einer Parallelwelt zu leben", sagte der Moskauer Finanzexperte Wassili Salodkow dem GA. "Für ihn ist der Ölpreis allein vom internationalen Wachstum abhängig. Dass die USA jetzt eifrig Schiefergas fördern, dass ganz Europa nach alternativen Energien sucht, scheint ihm entgangen zu sein, so wie das Flüssiggas, das andere Gasexporteure inzwischen anbieten."

Der Wirtschaftswissenschaftler Sergei Zuchlo stimmt ein: "Die Preise steigen und alle Probleme sind beseitigt. Offenbar sieht Putin die Lösung in alten Methoden, er scheint weiter an der Ölnadel zu hängen." Auch an der Moskauer Währungsbörse rief Putins Auftritt keine Euphorie hervor.

Wie die Wirtschaftsagentur RBK meldete, stieg der Dollarkurs binnen einer Viertelstunde nach seinen ersten Antworten um drei Rubel auf knapp 64 Rubel. Natürlich müsse man die Krise auch als Chance nutzen, um neue Möglichkeiten für vaterländische Produzenten zu schaffen, sagte Putin. Als jemand fragte, ob die Wirtschaftskrise der Preis sei, den Russland für die Krim bezahlte, wurde Putin prinzipiell. "Das ist nicht der Preis für die Krim. Damit bezahlen wir für unseren Selbsterhaltungstrieb als Nation, als Zivilisation, als Staat."

Russland gehe es wie dem Bären in der Taiga. Selbst, wenn er Vegetarier werde und nur noch Beeren verzehre, wolle man ihn an die Kette legen, ihm Zähne und Klauen ausreißen. Russland habe die Wahl: "Kämpfen, um zu überleben, übrigens auch die Struktur unserer Wirtschaft zu verbessern", so der Präsident.

"Oder wollen wir, dass sie unser Fell an der Wand aufhängen?" Putins Aussagen zeigten, wie weit er inzwischen über der Realität schwebe, bilanzierte der Blogger Alexei Melnikow. "Alles bleibt beim Alten, das Land braucht auf keine Veränderungen zu warten."

Folgen für Autobranche

Angesichts des Einbruchs beim russischen Rubel stoppen die ersten Autobauer ihre Verkäufe in Russland. Die Opel-Mutter General Motors (GM) habe damit schon am 16. Dezember für eine noch unbekannte Dauer begonnen, teilte der Konzern mit. Wegen der Kursschwankungen wolle man die Geschäftsrisiken im Griff behalten, hieß es.

Audi stoppte die Belieferung der Händler bis Anfang nächster Woche. VW selbst verkaufe weiterhin Autos in Russland, blicke aber mit Sorge auf den dortigen Markt, sagte ein Sprecher. BMW versucht bereits seit dem Sommer, Autos auf anderen Märkten zu verkaufen, nachdem die Nachfrage nach Neuwagen im Zuge der Ukraine-Krise und des Ölpreisverfalls drastisch abgesackt war.

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