Sparpläne Juncker gewährt Aufschub

BRÜSSEL · Der große Knall kam noch bevor die Kommission gestern Stellung zu den eingereichten Haushaltsentwürfen der 18 Euromitgliedsstaaten bezog.

Schon am Morgen ließ Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Bombe platzen: Sanktionen wegen des defizitären Haushaltsplans Frankreichs und schwindelhoher Staatsverschuldung Italiens und Belgiens wird es vorerst nicht geben.

Brüssel gewährt den Ländern Aufschub, ihre Strukturreformen durchzusetzen. Die Entscheidung über mögliche Maßnahmen hat der Luxemburger auf März 2015 vertagt.

Insbesondere Frankreich, gegen das bereits ein Defizitverfahren läuft, könnte mit bis zu vier Milliarden Euro Bußgeld empfindlich bestraft werden. Davon hat die Kommission nun überraschend Abstand genommen, nachdem sich alle drei Regierungschefs schriftlich an sie gewandt hatten. Wer diese Briefe lese, "wird verstehen, warum die Kommission diesen Ländern mehr Zeit gibt, bevor über Sanktionen nachgedacht wird", erklärte Vizepräsident Valdis Dombrovskis den Schritt.

Ursprünglich sah der Haushaltsentwurf aus Paris eine Neuverschuldung von 4,3 Prozent für das kommende Jahr vor, obwohl die Kommission Frankreich bereits zweimal Aufschub gewährt hatte, um unter die Drei-Prozent-Marke zu rücken.

Finanzminister Michel Sapin lenkte schließlich ein und versprach weitere Einsparungen von 3,6 Milliarden. Damit sinkt das Defizit auf 3,9 Prozent. "Durch die aktuelle Konjunktur können wird das Defizit nicht so schnell verringern wie erhofft", rechtfertigte sich Premierminister Manuel Valls nun gegenüber der Kommission. Das reicht Dombrovskis nicht aus: "Frankreich hat nicht genug getan. Es muss sein Steuersystem erleichtern und die Starre im Arbeitsmarkt lösen", forderte der Politiker gestern mit aller Deutlichkeit.

Der französische Währungskommissar Pierre Moscovici schlug unterdessen versöhnlichere Töne gegenüber seinem Heimatland an: Bis März habe man ein klareres Bild. Und schließlich sei es immer besser, "mit einem Land einen konstruktiven Dialog zu führen".

Italien und Belgien stehen bei der Kommission wegen ihrer Staatsverschuldung unter Beobachtung: Der Schuldenstand Italiens zählt mit 2168 Milliarden Euro - was 127 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) entspricht - zu einem der höchsten der Europäischen Union.

Der italienische Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan hatte Ende Oktober Einsparungen von 4,5 Milliarden angekündigt, ohne konkrete Reformpläne zu nennen. Der damals noch als Wirtschaftskommissar zuständige Jyrki Katainen sah damit keine Fälle "besonders schwerwiegender" Verstöße mehr.

Dombrovskis sieht das offenbar anders: Er forderte "zusätzliche Anstrengungen" aus Rom. Belgien nannte der 43-jährige Vizepräsident ein "Land, das sich reformieren muss". Der öffentliche Schuldenstand belief sich im vergangenen Jahr auf fast 105 Prozent des BIP.

Die neue Regierung unter Premierminister Charles Michel, der erst seit Mitte Oktober im Amt ist, leiste gute Arbeit, betonte Vizepräsident Dombrovskis. Michel hatte nun eine Reduzierung des strukturellen Defizits um 0,7 Prozent für das kommende Jahr versprochen, 2016 soll es um weitere 0,6 Prozent sinken.

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