Ägyptische Islamistengruppe IS hat den Fuß in der Tür
KAIRO · Während die Welt mit immer neuen IS-Mord-Videos konfrontiert wird und darüber debattiert, wie der "Islamische Staat" militärisch einzudämmen sein könnte, ist einer der wichtigen Erfolgsmeldungen der Dschihadisten medial untergegangen.
Seit diesem Monat hat der IS nun auch ein Standbein im bevölkerungsreichsten arabischen Land: In Ägypten. In einer Audio-Nachricht verkündete die im Nordsinai aktivste militant-islamistische Gruppe, die Ansar Beit El-Makdis (ABM), die sogenannten Helfer Jerusalems, dass sie sich dem IS anschließen und dessen Kalifen Abu Bakr Al-Bagdadi huldigen und Gefolgschaft versprechen. Verbunden war der Medienauftritt mit einem Aufruf an das ägyptische Volk, gegen die Militärherrschaft vorzugehen. "Worauf wartet ihr, nachdem eure Würde immer wieder verletzt wird", wird in der Erklärung gefragt, "nachdem das Blut eurer Söhne von einem rücksichtslosen Tyrannen und seinen Soldaten vergossen wird? Wann werdet ihr eure Schwerter herausholen und euch eurem Feind entgegenstellen?".
Die ABM ist die größte und aktivste Gruppierung, die im Nordsinai operiert und die für den Tod hunderter Soldaten verantwortlich ist. Vom Anschluss an den IS profitierten beide Seiten, erläutert der ägyptische Salafisten- und Dschihadisten-Experte Ahmad Zaghloul. "Das verschafft der ABM in Ägypten einen starken Partner, der ihnen logistisch, finanziell und planerisch unter die Arme greift. Der Schritt erhöht auch deren internationales Dschihad-Image", erklärt er. Aber auch der IS profitiere davon, dass er nun einen Fuß in Ägypten hat, vor allem in seiner Konkurrenz zu Al-Kaida", meint der Experte. Und selbst das in Kairo herrschende Regime habe etwas davon, wenn es nun seine innenpolitischen Probleme als Teil des weltweiten Antiterrorkampfes vermarkten könne.
Unklar ist, ob sich mit dem Anschluss die Taktik der ABM ändert und ob sich damit die Ziele ihrer Anschläge verändern, die sich bisher auf Militär und Polizei und vor allem auf den Nordsinai konzentrierten. Ein mysteriöser Angriff auf ein Schiff der ägyptischen Marine vor der Küste des Nildeltas in diesem Monat könnte ein erster Hinweis darauf sein, dass die Militanten immer waghalsigere Operationen ausführen.
Möglich ist, dass die ABM nun ihre Anschläge auf Kairo ausweitet. Tatsächlich wird auch über Widersprüche in der Gruppe spekuliert. Der militante Zweig jenseits des Suezkanals, also im Nildelta und in Kairo, hatte sich dagegen gesperrt, sich dem IS anzuschließen und auch entsprechende Erklärungen abgegeben.
Dass die ABM die Muslimbrüder verbal angreift, hält die Regierung in Kairo nicht davon ab, die ABM und die Muslimbruderschaft in einen Topf zu werfen und beide als Terrororganisationen zu behandeln. Die gleichgeschalteten ägyptischen Medien sprechen immer wieder davon, dass hinter den Anschlägen im Sinai letztendlich die Muslimbruderschaft stecke. Derweil greift die ABM immer wieder die Muslimbruderschaft an, die nach dem Sturz Mubaraks zu den Wahlen angetreten war und deren Kandidat Muhammad Mursi zum Präsidenten gewählt worden war, bevor er letzten Sommer vom Militär von seinem Amt entfernt worden war. In derselben Erklärung, in der die ABM dem Kalifen des Islamischen Staates huldigt, heißt es in Richtung Muslimbruderschaft, dass "weder beschämender Frieden noch blasphemische Demokratie zum Ziel führen".