Das Porträt Hollandes Allzweckwaffe

PARIS · Er hat zwar nicht das Charisma und den Elan seines Vorgängers Manuel Valls, der im April 2014 zum Regierungschef aufgestiegen ist. Trotzdem - oder gerade deshalb - gilt Bernard Cazeneuve als Idealbesetzung in der Rolle des französischen Innenministers.

 Bernard Cazeneuve

Bernard Cazeneuve

Foto: ap

Denn Eigenschaften wie Loyalität, Gewissenhaftigkeit und Diskretion nutzen ihm in seinem Amt als "erster Polizist Frankreichs". Vor allem in der Krise, die Frankreich nach den islamistischen Terroranschlägen gegen das Satiremagazin "Charlie Hebdo" und einen koscheren Lebensmittelmarkt in Paris durchlebt hat. Wie bei Präsident François Hollande und Premierminister Valls schossen seither auch Cazeneuves Beliebtheitswerte spektakulär in die Höhe. Eine Mehrheit der Franzosen nennt den 51-Jährigen kompetent und mutig. Mehr als drei von vier der Befragten sind zufrieden mit seinem Verhalten während des Ausnahmezustandes.

In einer solchen Situation wäre zwar jeder Innenminister in der Gunst der Menschen gestiegen, sagt der Politikwissenschaftler Christophe Boutin. Doch auch Cazeneuves Persönlichkeit habe dazu beigetragen: "Er ist ruhig und bedächtig, wirft sich nicht den Medien entgegen, sondern weiß Abstand zu wahren." Der Minister habe sich nicht zu sehr in die Arbeit der Polizeikräfte eingemischt und sich zugleich trotzdem präsent bei seinen Leuten vor Ort gezeigt.

Dabei gilt Empathie nicht als Stärke des Sozialisten. Seine Schüchternheit sei sein größtes Defizit, sagt Cazeneuve von sich, der so gewandt wie ein Professor, aber auch so technokratisch wie ein Beamter sprechen kann. Sie sei "fast krankhaft, ein ständiger Kampf gegen mich selbst", verriet er in einem Interview. Viele schätzen aber den feinen, ironischen Humor des Vaters zweier erwachsener Kinder.

Nach Abschluss einer Elitehochschule in Bordeaux arbeitete Cazeneuve zunächst als Jurist in einer Bank. Doch bald ging der Sohn eines sozialistischen Regionalpolitikers in die Politik, wurde Bürgermeister im nordfranzösischen Cherbourg-Octeville, anschließend Abgeordneter und arbeitete in verschiedenen Ministerien mit.

Vor den Terrorangriffen war er in Frankreich nur mäßig bekannt, obwohl ihn die Medien Hollandes "Allzweckwaffe" nennen, weil er überall einsetzbar scheint. Zunächst machte der Präsident Cazeneuve zum beigeordneten Minister für Europa-Angelegenheiten, auch wenn er 2005 das französische "Non" gegen den Europäischen Verfassungsvertrag unterstützt hat. 2013 folgte er Jérôme Cahuzac als Budgetminister nach, nachdem dessen heimliches Konto in der Schweiz aufgeflogen war. Nach diesem Skandal sollte Cazeneuve den Schaden begrenzen helfen und außerdem den angefangenen Sparkurs weiter durchsetzen. Im Frühjahr 2014 rückte er zum Innenminister auf.

Im Herbst geriet er allerdings in die Kritik, als bei Ausschreitungen zwischen Gegnern eines Staudamms im südfranzösischen Sivens und der Polizei ein 21-jähriger Umweltaktivist getötet wurde. Cazeneuve stellte sich hinter die Einsatzkräfte, doch dass er der Familie des Toten erst nach Tagen und in kühlen Worten sein Mitleid aussprach, galt als erster schwerer Fehler. Dieser scheint nun verziehen zu sein: Nicht nur der dynamische Manuel Valls bekam für sein Krisenmanagement stehende Ovationen im Parlament von den Abgeordneten, sondern auch der diskrete Cazeneuve. Er bedankte sich sichtlich bewegt - bislang einer der seltenen Momente, in denen er Emotionen zeigte.

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