Extremist aus dem Osten der Stadt Gesucht: Ein Dschihadist aus London

LONDON · Dieser maskierte, in schwarze Kleidung vermummte Mann, der inmitten einer Wüstenlandschaft den US-Journalisten James Foley enthauptet hat, soll Brite sein?

Das Königreich ist entsetzt und verstört, doch die Hinweise verdichten sich, dass der Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus Großbritannien stammt. Aufgrund der vorliegenden Informationen sei es "immer wahrscheinlicher", bestätigte Premierminister David Cameron.

Der Dschihadist komme aus London, berichten mehrere britische Medien unter Verweis auf Geheimdienst-Quellen. Demnach sei "John", wie er sich selbst nennen soll, auf der Insel geboren und habe zuletzt im Londoner Osten gewohnt - eine Gegend, wo auch heute noch in vielen Teilen sozial Schwächere leben. Linguisten analysierten im "Guardian" den englischen Akzent von "John" und lokalisierten ihn in der Hauptstadt.

Eine ehemalige Geisel der IS identifizierte zudem den Mann als einen von drei Briten, mit denen er während seiner Entführung zu tun hatte. "John", so schreiben die Zeitungen, ist Anführer einer Terror-Einheit, die sich auf Entführungen spezialisiert hat und von der syrischen IS-Hochburg Rakka in Syrien aus operiert. Der Dschihadist wird als gebildet, intelligent, aber auch als extrem engagiertes Mitglied der Miliz bezeichnet. Weil er eng mit zwei weiteren britischstämmigen IS-Kämpfern zusammenarbeitet, wird die Gruppe von anderen Terroristen als "Die Beatles" genannt.

Im Vereinigten Königreich wird seit Monaten über jene muslimischen Bürger mit britischem Pass diskutiert, die auf Seiten der Islamisten im Irak und in Syrien kämpfen. Ein afghanischer Vater appellierte erst vor einigen Wochen an seinen Sohn, nach Großbritannien zurückzukehren. Sowohl die Familie als auch die Behörden befürchten, dass er sich der Terrorgruppe IS angeschlossen hat, um diese bei der Errichtung eines Islamischen Staats zu unterstützen. Zudem schockieren regelmäßig Angriffe von fanatischen Islamisten das Königreich, wie beispielsweise der Mord an dem Soldaten Lee Rigby im vergangenen Jahr.

Staatliche Stellen warnten immer wieder vor der Gefahr, sollten die skrupellosen Extremisten zurück auf die Insel kommen und Anschläge planen. "Homegrown", wörtlich übersetzt "zu Hause angebaut", nennen die Briten sie. Experten schätzen, dass sich noch zwischen 400 und 500 radikalisierte Briten im Irak und in Syrien aufhalten, bis zu 250 Menschen sollen bereits auf die Insel zurückgekehrt sein.

Diese stünden unter besonderem Fokus, heißt es aus Westminster. Doch das reicht Kritikern nicht. "Jämmerlich unvorbereitet", sei man darauf, sagt Maajid Nawaz von der anti-extremistischen Denkfabrik "Quilliam Foundation" in der "Times". Die Regierung kontert, dass unter anderem Tausende Propaganda-Filme und -Texte im Internet gelöscht würden. Cameron selbst bezeichnete die Dschihadisten aus den eigenen Reihen bereits vor Wochen als "eine der größten Gefahren für das Land überhaupt".

Shiraz Maher, der am Zentrum für die Erforschung von Radikalisierung des Londoner King's College arbeitet, sagte, dass radikalisierte Briten keine Fußsoldaten mehr seien, sondern sich innerhalb der Organisation in führende Positionen hochgearbeitet hätten. Sunnitische Muslime aus dem Königreich gehörten zu den "bösartigsten und lautstärksten Kämpfern" bei IS.

Besonders anfällig für die Lockrufe der Islamisten sind junge Briten aus der zweiten oder dritten Einwanderergeneration. "Diese Generation wird nicht so erfolgreich sein wie ihre Eltern", sagt Erin Marie Saltman von "Quilliam Foundation". Viele hätten ein Problem, in der globalisierten Welt ihre Identität zu finden.

"Einige Menschen bevorzugen klare Strukturen und sind anfällig für Gruppen, die ihnen einen Tod als Märtyrer und einen Status als Superheld versprechen." Nach Einschätzung des Terrorismusexperten Afzal Ashraf vom Royal United Services Institute befinden sich unter den britischen Dschihadisten auch Kriminelle, die im Gefängnis "konvertierten und radikalisiert wurden". Für andere sei der Eindruck, dass "Muslime von den westlichen Regierungen unterdrückt werden", der entscheidende Auslöser, sich den Extremisten anzuschließen.

Der frühere Leiter der Anti-Terror-Abteilung des britischen Geheimdienstes, Richard Barrett, sieht immerhin gute Chancen, dass der Mörder von US-Journalist Foley gefasst wird. Die Ermittler könnten auf Hinweise aus dem Umfeld des Täters in seiner Heimat hoffen, sagte Barrett gestern der BBC. ga/afp

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