CIA-Bericht Folter auch in Europa

BRÜSSEL · Die Europäische Kommission gab sich zurückhaltend. Der Bericht über Folterungen des US-Geheimdienstes CIA decke "wichtige Fragen zur Verletzung von Menschenrechten durch die US-Regierung" auf, erklärte eine Sprecherin schon einen Tag nach dessen Veröffentlichung.

Die EU verurteile generell "alle Formen der Folter und Misshandlungen". Und noch am Mittwoch, dem "Internationalen Tag der Menschenrechte", beherrschten Appelle gegen Folter und für die Wahrung der Menschenwürde die Stellungnahmen in Brüssel. Doch die Empörung über die Praktiken der US-Behörden ist unehrlich: EU-Staaten waren beteiligt, einige aktiv, andere durch schweigendes Mitwissen.

Der Senatsbericht enthält nämlich eine Vielzahl von Hinweisen und Andeutungen, mit denen eine erhebliche Mitverantwortung europäischer Regierungen entlarvt wird.

Es geht um Schilderungen wie diese, die ein Augenzeuge noch im Februar 2013 gegenüber Journalisten bestätigte: "Am 5. Dezember 2002 landete um 14.56 Uhr eine Maschine vom Typ Gulfstream D-IV mit der Kennung N63MU auf dem kleinen Flugplatz Szczytno-Szymany im Nordosten Polens.

Die sieben Passagiere (mutmaßlich sechs US-Agenten und ein Gefangener) stiegen in Geländewagen und brausten davon. Ihr Ziel lag 22 Kilometer nördlich, links neben der Landstraße 58 in einem Wald beim Dorf Stare Kiejkuty: ein Schulungszentrum des polnischen Geheimdienstes. Es diente der CIA bis Ende 2003 als Gefängnis."

Dass dort Verhöre unter Folter stattfanden, steht nach Auffassung des Europäischen Parlaments und des Europarates fest. Ebenso wie in Rumänien bei Contanza, im Camp Bondsteel im Kosovo und auf dem Reiterhof Antaviliai, dem sogenannten "Projekt Nr.2" in Litauen. In der "Mehrzahl der Fälle gab es an diesen Orten Verhöre und Folterungen", stellte die europäische Volksvertretung in ihrem Bericht am 14. Februar 2007 fest.

"Black Site" hießen solche außeramerikanischen Haftmöglichkeiten im internen Jargon der CIA-Verwaltung. "Folterähnlichen Behandlungen" schilderten auch zahlreiche Augenzeugen, die der Schweizer Ermittler Dick Marty für einen Bericht des Europarates befragte. Auch er fand zahllose Belege dafür, dass hinter den Gefängnismauern keineswegs humaner Strafvollzug praktiziert wurde.

"Weiße Folter" wurden einige Praktiken wie Demütigungen (Tragen von rosafarbener Unterwäsche, Verhöre durch eine Frau, wobei der männliche Gefangene nackt war), sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen, Reizentzug über Tage hinweg, um Bewusstseinsstörungen hervorzurufen), Schlafmangel, Torturen mit Hitze oder Kälte sowie Scheinhinrichtungen genannt.

Bei den Ermittlungen des Europarates stieß Dick Marty auf "eine Mauer des Schweigens", als er auch Regierungen in Europa befragen wollte - darunter die deutsche. Recherchen ergaben allerdings schon damals "unverrückbare Hinweise" (so ein Experte der EU) auf eine Beteiligung staatlicher Behörden.

Dass Ermittler des Bundesnachrichtendienstes (BND) den verschleppten Deutschen Khaled al-Masri in der US-Haftanstalt Guantánamo verhörten, ist weithin bekannt. Zusammen mit dem Bundeskriminalamt (BKA) sowie dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sei der BND "auf diversen Ebenen an dem System der Geheimgefängnisse beteiligt" gewesen, ergaben Recherchen von Politikern und Journalisten.

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