Unabhängigkeitspartei Ukip Farage demütigt Cameron

LONDON · Der Albtraum für den britischen Premierminister David Cameron geht weiter. Das zeigt das Ergebnis einer Nachwahl im südenglischen Kreis Rochester and Strood.

Die Rechtspopulisten der europafeindlichen Unabhängigkeitspartei Ukip haben den konservativen Tories den zweiten Parlamentssitz binnen sechs Wochen weggeschnappt. Ukip-Kandidat Mark Reckless gewann mit deutlichem Vorsprung gegen seine konservative Konkurrentin Kelly Tolhurst. 42,1 Prozent stimmten für den Überläufer, nur 34,8 Prozent blieben den Tories treu. Reckless, der seit 2010 für die Konservativen im Parlament saß, hatte im September seinen Rücktritt erklärt und war zu den Rechtspopulisten übergelaufen, dadurch wurde die Nachwahl fällig.

Der 43-Jährige hat es nach Douglas Carswell, der im Oktober nach seinem Parteiwechsel ebenfalls eine Nachwahl unter dem lilafarbenen Ukip-Banner gewann, also geschafft, dass Ukip endgültig in der britischen Politik angekommen ist. Vor wenigen Monaten schien das noch undenkbar, seit der Europawahl im Mai bestimmen die Rechtspopulisten jedoch die politische Debatte im Land. Die Partei unter dem Vorsitzenden Nigel Farage kämpft für einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) und will zudem die Immigration stark beschränken. Ukip werde "euch euer Land zurückgeben", versprach Reckless. Sein Sieg beweise, dass Ukip auch landesweit gewinnen könne. "Wenn ihr denkt, dass die Welt größer als Europa ist, wenn ihr an ein unabhängiges Großbritannien glaubt, dann schließt euch uns an", frohlockte Reckless, der mit ausländerfeindlichen Parolen aufgefallen war, jedoch danach erklärt hatte, missverstanden worden zu sein. Auch Farage zeigte sich glücklich: "Ich freue mich auf die Parlamentswahl im nächsten Jahr", sagte er. "Alles ist möglich."

Während er auf einer Welle des Erfolgs reitet, bedeutet dieser Sieg der Aufständischen für Cameron eine demütigende Niederlage. Er versprach seit Wochen, alles dafür zu tun, den Wahlkreis zu halten, um Stärke zu demonstrieren und mögliche Nachahmer in den Abgeordnetenreihen abzuschrecken. Fünf Mal besuchte er die Gegend und schickte Abgeordnete auf Wahlkampftour.

Gebracht haben selbst der hohe Einsatz von Geld und Personal offenbar wenig, um die Anziehungskraft der EU-Hasser zu schmälern. Denn der blasse Reckless selbst besticht durch wenig Charisma. Nun muss Cameron weitere Überläufer fürchten, eine Spaltung der Konservativen droht. Und das nur ein halbes Jahr vor der Parlamentswahl im Mai, bei der seine Wiederwahl auf dem Spiel steht. Die Tories fordern eine absolute Mehrheit von ihm, sonst könnte es knapp für Camerons Zukunft als Premier werden.

Wollen die politikverdrossenen Briten dem Establishment in Westminster nur einen Denkzettel verpassen? Oder wird Ukip tatsächlich im Mai eine entscheidende Rolle spielen? Bislang ist das Rennen zwischen den Konservativen und der sozialdemokratischen Labour-Partei kaum vorauszusehen.

Doch sollten sich die Wähler im konservativen Lager auf Tories und Ukip aufteilen, könnte am Ende der Labour-Oppositionschef Ed Miliband profitieren und als Premier in die Downing Street einziehen. Das Argument, dass jede Stimme für Ukip eine verschwendete Stimme sei, wie Cameron unermüdlich behauptet, ist überholt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort