Streit um Gas Durchbruch - bis zum Ende des Winters

BRÜSSEL · Dem Energiekommissar war die Energie längst abhanden gekommen. Als Günther Oettinger in der Nacht zum Freitag endlich den Durchbruch im Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine verkünden konnte, hatte er tiefe Ringe unter den Augen.

 Kühler Händedruck nach der Einigung: Der der russische Energieminister Alexander Nowak (links) und sein ukrainisches Gegenüber Juri Prodan (rechts). In der Mitte EU-Energiekommissar Günther Oettinger.

Kühler Händedruck nach der Einigung: Der der russische Energieminister Alexander Nowak (links) und sein ukrainisches Gegenüber Juri Prodan (rechts). In der Mitte EU-Energiekommissar Günther Oettinger.

Foto: dpa

"Es waren harte Verhandlungen", sagte er. "Aber heute können wir den Bürgern der EU sagen, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet ist."

Nach sieben Gesprächsrunden und zum Schluss zweitägigen Marathon-Verhandlungen stand fest: Kiew muss den Winter ebenso wenig fürchten wie die Europäer. Denn längst ging es nicht mehr nur um Gas für das krisengeschüttelte Land an der Nahtstelle zwischen Ost und West, sondern auch um warme Heizungen für die meisten der 28 EU-Mitgliedstaaten.

Sergej Kuprijanow, Sprecher des staatlichen Gazprom-Konzerns aus Moskau, machte das unmissverständlich deutlich, als der die Ukraine in den ersten Sätzen seiner Stellungnahme gar nicht erwähnte: "Die heutige Vereinbarung ist ein bedeutender Schritt, um eine Unterbrechung der Gas-Versorgung Europas im Winter zu verhindern."

Während der scheidende Kommissionspräsident José Manuel Barroso parallel zu den Gesprächen Oettingers mehrfach mit dem Kiewer Präsidenten Petro Poroschenko telefonierte, wurden einige Etagen tiefer Milliarden verschoben.

Demnach verpflichtet sich der ukrainische Energie-Riese Naftogaz, bis zum Jahresende insgesamt 3,1 Milliarden Dollar (2,45 Milliarden Euro) nach Moskau zu überweisen, eine erste Rate über 1,45 Milliarden Dollar (1,15 Milliarden Euro) bereits in den nächsten Tagen "ohne Verzögerung". Damit sind die aufgelaufenen Altschulden vorerst getilgt. Bis zum März darf die Ukraine, die mutmaßlich vier Milliarden Kubikmeter Gas für einen Gegenwert von weiteren 1,5 Milliarden Dollar (1,19 Milliarden Euro) verbrauchen wird, so viel Brennstoff ordern, wie sie will.

Und der wird sogar noch billiger als die 385 Dollar (302 Euro) je 1000 Kubikmeter, die als Grundpreis zugrundegelegt wurden: 378 Dollar (300 Euro) fordert Gazprom für den Rohstoff bis zum Jahresende (zum Vergleich: China bezahlt nur 350 Dollar), im Januar und Februar gibt es Gas zum Vorzugspreis von 365 Dollar (290 Euro). Aber nur nach Vorkasse.

Denn das ist der Haken an dem Kompromiss: Kiew ist das Geld längst ausgegangen.

Zwar betonte der Vertreter des ukrainischen Naftogaz-Konzerns, man sei ja schließlich ein Unternehmen mit eigenen Einnahmen, die es ermöglichten, den Brennstoff auch auf Vorkasse einzukaufen.

Dass das ohne die EU und den Internationalen Währungsfonds im Rücken nicht gehen wird, wissen alle Beteiligten. "Die EU hat keine Garantien übernommen", betonte Oettinger. Stattdessen verwies Barroso auf ein Hilfspaket, das man bereits auf den Weg gebracht habe und das "den Haushalt der Ukraine ertüchtigen" solle.

Trotz dieses lange erhofften Durchbruchs ist der Krach noch nicht zu Ende. Abgesehen von einer fehlenden langfristigen Versorgungssicherheit für die Zeit ab März 2015 steht nämlich noch eine Klage vor der Stockholmer Handelskammer an. Dabei geht es um die Frage, ob der russische Energieriese den Gaspreis Anfang des Jahres zu Recht von zunächst 267 Dollar (212 Euro) je 1000 Kubikmeter auf 485 Dollar (386 Euro) anheben dürfte.

Sollte die Ukraine bei diesem Verfahren unterliegen, kommen auf Kiew für die zurückliegenden Monate neue Nachforderungen über rund zwei Milliarden Dollar (1,59 Milliarden Euro) zu, die weder das Land noch sein Energieversorger Naftogaz haben. Die Einigung von Brüssel hält möglicherweise wirklich nur einen Winter lang.

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