Türkische Außenpolitik Die Spielregeln haben sich geändert

Ankara fühlt sich in seinem Vorgehen bestätigt, Beobachter zweifeln. Macht die Türkei sich durch ihr aggressives Vorgehen stärker oder schwächer?

Die Spielregeln in der Region haben sich geändert - diese selbstbewusste Bilanz nach den türkischen Luftangriffen auf den Islamischen Staat in Syrien und auf die PKK-Kurdenrebellen im Nordirak zog Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vor einigen Tagen. Alle Akteure im Nahen Osten sollten diese neuen Realitäten beachten, sagte Davutoglu, ein früherer Politik-Professor und Außenminister. Eine Türkei, die ihre Militärmacht effizient einsetze, könne in der ganzen Region für Veränderungen sorgen. Doch Davutoglus Blick auf die Dinge könnte etwas zu rosig sein, sagen Beobachter.

Davutoglu ist der Architekt der offensiv auftretenenden türkischen Außenpolitik der vergangenen Jahre, die eine grundsätzliche Umorientierung brachte: Statt sich wie in der Vergangenheit als im Westen verankerte, aber mehr oder weniger passive Brücke zwischen Ost und West zu begreifen, sieht sich das Land heute als eigenes Machtzentrum in einer der wichtigsten Weltregionen, mit Interessen, die bis weit nach Afrika, Europa und Asien reichen. Mit der schlagkräftigsten Armee, der stärksten Wirtschaft und dem demokratischsten System aller muslimischen Staaten des Nahen Ostens sieht sich die Türkei als Vorbild und Führungsmacht.

Nun hat die Türkei nach Meinung von Davutoglu und Präsident Recep Tayyip Erdogan eindrucksvoll demonstriert, wozu sie in der Lage ist. Ankara führt einen Zweifrontenkrieg gegen den Islamischen Staat und gegen die PKK und öffnet gleichzeitig die strategisch wichtige Luftwaffenbasis Incirlik für die USA, andere westliche Staaten und auch die Kampfjets aus arabischen Ländern.

Doch diese demonstrative Unterstützung für Ankara kann nicht verdecken, dass es erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen der Türkei und dem Westen gibt. Die USA seien höchst irritiert über die Entscheidung Ankaras, neben dem IS auch die kurdische PKK anzugreifen, obwohl die Kurden die Speerspitze des Kampfes gegen den IS bildeten, sagte der Istanbuler Politologe Behlül Özkan. In Deutschland kritisieren Regierungspolitiker die türkische Haltung auch öffentlich.

Nicht nur bei den USA und Europa könnte sich Ankara verschätzt haben. Auch zwei Nachbarstaaten kritisieren die türkischen Operationen als innenpolitisch motivierte Manöver und schweren Fehler.

Die umkämpfte syrische Regierung erklärte, es gehe Ankara mehr um eine Schwächung der Kurden als um den Kampf gegen den IS. Beim syrischen Verbündeten Iran erklärte Generalstabschef Hasan Firouzabadi, die Türkei begehe einen strategischen Irrturm, wenn sie die kurdische PKK statt den IS angreife. Eine Schwächung der Kurden nütze dem Islamischen Staat. Über kurz oder lang würden die Extremisten auch die Türkei selbst ins Visier nehmen. Nicht zuletzt beeinträchtigt innenpolitische Instabilität immer auch die Außenpolitik eines Landes.

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