Sondersynode im Vatikan "Die Doktrin ist nicht in Stein gemeißelt"

Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper zur Halbzeit bei der Familiensynode im Vatikan.

 Der 1933 in Heidenheim an der Brenz geborene emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper studierte Theologie und Philosophie in Tübingen und München. Kasper war Assistent von Hans Küng und wurde 1989 Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart . 1999 ernannte Papst Johannes Paul II. Bischof Kasper zum Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

Der 1933 in Heidenheim an der Brenz geborene emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper studierte Theologie und Philosophie in Tübingen und München. Kasper war Assistent von Hans Küng und wurde 1989 Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart . 1999 ernannte Papst Johannes Paul II. Bischof Kasper zum Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

Foto: AFP

Halbzeit bei der Sondersynode im Vatikan. Die Bischöfe diskutieren seit einer Woche über die Themen Ehe, Familie und Sexualität. Einer der zentralen Protagonisten der Versammlung ist der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper (81). An seinem Vorschlag, wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Voraussetzungen zur Kommunion zuzulassen, scheiden sich die Geister. Mit Kasper sprach am Rande der Synode Julius Müller-Meiningen.

Herr Kardinal, in welche Richtung bewegt sich die Synode? Wird sich die katholische Kirche in Grundsatzfragen öffnen?
Walter Kasper: Es ist schwierig, jetzt schon eine eindeutige Richtung der Synode zu erkennen. Aber wir bewegen uns ganz klar in Richtung der pastoralen Situationen. Es herrscht eine realistische Sicht der Probleme, denen sich die katholische Kirche stellen muss. Die Perspektive ist nicht doktrinell von oben herab, sondern sehr realistisch.

Konkret geht es etwa um den Umgang mit Homosexuellen, Empfängnisverhütung oder um wiederverheiratete Geschiedene. Was wird das Ergebnis der Synode sein?
Kasper: Eine Lösung etwa bei der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen gibt es noch nicht. Neu ist aber, dass die Synodenväter sehr offen, frei und mutig miteinander sprechen. Das zeigt sich auch in der Diskussion. Diese Offenheit fängt jetzt erst an. Was das Schlussdokument angeht, denke ich, dass wir uns eher auf Fragen einigen werden als auf konkrete Antworten. Dann ist ja noch ein Jahr Zeit bis zur ordentlichen Synode. Ich bin aber sicher, wir werden einen breiten Konsens bekommen. Es wird natürlich immer ein paar geben, die dagegen sind. Das war ja beim Konzil auch so, dass es Widerstände gab, die sich dann verflüchtigt haben.

Leitmotiv des Zweiten Vatikanischen Konzils war die Erneuerung der Kirche. Setzt die Synode das Konzil in diesem Sinne fort?
Kasper: Man spürt in der Synode den Geist des Konzils ganz deutlich. Auch wenn es sich um eine neue Art der Rezeption des Konzils handelt. Ich denke etwa an die Stärkung der Kollegialität unter den Bischöfen. Aber man kann schon sagen, dass das Konzil in diesem Prozess verwirklicht wird.

In der Synode stehen strenge Verteidiger der Doktrin denen gegenüber, die eher die Probleme der Praxis im Blick haben. Sind die Lager so aufgeteilt?
Kasper: Man muss beides zusammenbringen, Doktrin und Praxis. Ich habe selbst 20 Jahre lang Dogmatik gelehrt. Die Doktrin ist nicht in Beton gegossen oder in Stein gemeißelt.

Sie haben bereits in den 90er Jahren vorgeschlagen, wiederverheiratete Geschiedene in Einzelfällen zur Kommunion zuzulassen. Dank Papst Franziskus steht das Thema heute ganz oben auf der Tagesordnung. Ist das eine späte Genugtuung?
Kasper: Das ist schon eine wichtige Zeit für mich persönlich. Aber ich will diese Frage gar nicht personalisieren. Dieses Thema ist ja nicht nur mein Thema, sondern das Thema vieler Bischöfe.

Warum ist das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen eigentlich so wichtig?
Kasper: Das ist ein Schlüsselthema, mit dem man auch andere schwierige Situationen aufschließen kann. Es geht darum, Barmherzigkeit zu üben. Das darf man nicht mit Nachgiebigkeit gegenüber den Prinzipien verwechseln. Aber dieser Prozess dorthin ist jetzt auf dem Weg. Synodos bedeutet Weggemeinschaft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort