Ebola-Epidemie Der unterschätzte Feind

KOBLENZ · Deutschland rüstet sich für einen Kampf. Doch der Feind ist unsichtbar, nur unter dem Mikroskop erkennbar. Das Ebolavirus schleicht sich fast unbemerkt in den Körper seines Opfers, seine Auswirkungen sind verheerend.

 Warnung mit Totenkopf: Ebola existiert, heißt es auf einem Schild im Elendsviertel West Point in Monrovia, Liberia.

Warnung mit Totenkopf: Ebola existiert, heißt es auf einem Schild im Elendsviertel West Point in Monrovia, Liberia.

Foto: DPA

Die Bundeswehr und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) unterstützen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dabei, eine Krankenstation in Liberia zu betreiben. Ein gemeinsames Erkundungsteam lotet derzeit zehn Tage lang die Gegend um Liberias Hauptstadt Monrovia aus. Die ersten 20 Freiwilligen der Bundeswehr könnten schon bald dorthin reisen.

"Wir haben diesen Ausbruch der Krankheit bei weitem nicht unter Kontrolle", schließt sich Oberstarzt Peter Lüke der Ansicht des amerikanischen Center of Disease Control an. Er ist besorgt. Denn die Zahl der Infektionen sei seit den ersten im März bekannt gewordenen Fällen nicht linear, sondern exponentiell gestiegen.

Der Mediziner ist Mitglied der Anfang August gegründeten "Task Force Ebola" des Sanitätsdienstes der Bundeswehr mit Sitz in Koblenz. Das Gremium aus Experten berät dort seit Wochen, wie die Bundeswehr in Westafrika agieren soll.

Völlig tatenlos sei Deutschland ja nicht, merkt Lüke an. Schon seit Beginn der Epidemie im April setzt beispielsweise die Bundeswehr ein mobiles Labor in Guinea ein.

Doch die Laboranten kommen nicht direkt mit den Patienten in Berührung. Natürlich sei die Bundeswehr durch Einsätze in Afghanistan, Mali oder dem Kosovo auf gefährliche Infektionskrankheiten - etwa Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber oder Malaria - vorbereitet, "aber nicht in dieser Dimension", verdeutlicht Lüke. Und nicht auf ein derart hohes Sterblichkeitsrisiko. Derzeit betrage die Heilungsrate in Afrika nur etwa 30 Prozent, "vielleicht sogar bis zu 50 Prozent in Europa", wagt der Arzt eine vorsichtige Einschätzung.

2700 Freiwillige haben sich seit dem Aufruf von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Ende September bei der Bundeswehr gemeldet. Aktive und Reservisten, darunter medizinisch ausgebildete Kräfte, auch aus Lükes Abteilung. "Im Grunde haben wir die gesamte Bandbreite, von Logistik bis zu medizinischem Fachpersonal", bestätigt die Pressestelle des Sanitätsdienstes.

Das Auswärtige Amt habe 20 Millionen Euro für die humanitäre Hilfsmission zugesagt, doch bisher wisse keiner, wie lange sie dauern soll, erklärt der Pressesprecher des DRK, Dieter Schütz. Beim DRK haben sich 1514 Interessenten gemeldet; 291 Bewerbungen sind eingegangen, doch nur 115 Kandidaten sind geeignet, darunter 43 Ärzte.

Die Freiwilligen müssen "tropentauglich" sein, das heißt entsprechende Impfungen gegen Tropenkrankheiten haben, und sich in einer guten körperlichen Verfassung befinden. Das Profil des DRK (nur Ärzte, Krankenpfleger, Sanitäter oder Hebammen) ist eingeschränkter als das der Bundeswehr, die auch Logistiker im Umgang mit dem Virus schulen. Lüke beschreibt, wie das in der Praxis aussieht. "Das ist fast wie beim Film Outbreak', nur dass wir vor Ort nicht unsere fremdbelüfteten Schutzanzüge einsetzen." Die Anzüge entsprechen europäischen Normen.

"Es gibt immer eine Kapuze mit Klebeleiste, damit keine Feuchtigkeit eindringt, eine Schutzmaske mit Ausatemventil, Schutzbrillen und lange, verstärkte Handschuhe", zählt der Oberstarzt detailliert auf. Der gesamte Anzug wird sorgfältig verklebt. Maximal ein bis zwei Stunden kann man es bei tropischen Bedingungen darin aushalten, erklärt der Experte.

Die Schutzbrillen seien besonders wichtig, damit man sich während des Arbeitens nicht mit der Hand über die Augen streife - das Ebolavirus überträgt sich schließlich über Körperflüssigkeiten oder Ausscheidungen.

Eine große Gefahr der Ansteckung mit dem Virus lauert beim Ausziehen der Schutzanzüge. Die Helfer sprühen sich vor dem Ablegen mit einer desinfizierenden Chlorlösung ein und wischen die Kopfhaube ab. Dann verfahren sie nach dem erlernten Schema: Alles wird von innen nach außen gestülpt.

Allein der Kontakt der Haut mit dem gebrauchten Anzug kann zur Infektion führen. Die Schutzkleidung werde später verbrannt, sagt Lüke. Aus seiner Sicht seien vor allem das Blutabnehmen oder das Legen von Zugängen für Infusionen sehr gefährlich. Er betont: "Die Krankenstation ist keine Intensivstation." Bei 50 bis 100 Patienten sei eine vertiefende Versorgung gar nicht realisierbar.

Ab Montag schult die Bundeswehr fünf Tage lang die ersten 20 Freiwilligen. Zwei Tage dauert das medizinische Training, das nach den internationalen Standards von "Ärzte ohne Grenzen" (ÄoG) durchgeführt wird (bei den ÄoG dauert die Ausbildung drei Tage, beim DRK nur zwei Tage). Hinzu kommen Landeskunde sowie rechtliche und psychologische Aspekte. Auch Botschaftsmitarbeiter sollen ausgebildet werden.

In Afrika angekommen, schließt sich zusammen mit der WHO noch einmal ein mindestens zehntägiges Training an, damit alles sitzt. "Sobald die ersten Freiwilligen fliegen können, bilden wir schon die nächsten aus", beschreibt Lüke das von der Task Force konzipierte Vorgehen.

Alle vier Wochen müssten die Helfer "ausgetauscht" werden, da sonst die psychische und physische Belastung zu groß würde. Allein das DRK brauche 80 bis 100 medizinische Fachkräfte in diesem Rhythmus, so der Oberstarzt. Bisher sei die Mission auf sechs Monate ausgelegt, doch wann ein Ende der Epidemie in Sicht sei, kann derzeit keiner einschätzen. DRK-Sprecher Schütz warnt jedoch ausdrücklich davor, den Ebola-Ausbruch zu unterschätzen: "Das Risiko ist groß. Die Gefahr sich zu infizieren, ist immer da." Die Schlacht hat gerade erst begonnen.

Die aktuelle Lage

Seit dem Ebola-Ausbruch Ende 2013 starben nach jüngsten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bisher 4493 Menschen an dem Virus. Insgesamt wurden 8897 bestätigte, wahrscheinliche oder vermutliche Ebola-Infektionen registriert. "Es ist offensichtlich, dass sich die Lage in Guinea, Liberia und Sierra Leone weiter verschlechtert", heißt es in dem aktuellen Ebola-Lagebericht.

Die Weltgesundheitsorganisation räumt zudem Fehler bei der Eindämmung des Ebola-Virus in Westafrika ein. Der Ausbruch sei unter anderem wegen einer falschen Einschätzung der Krankheit, nicht kompetenter WHO-Mitarbeiter vor Ort und interner Bürokratie nicht schnell genug in seiner Dimension erkannt und angegangen worden, heißt es im Entwurf eines Papiers der UN-Organisation, zu dem die Nachrichtenagentur AP gestern Zugang bekam.

Mehrer Karibik-Staaten verhängten Einreiseverbote für Reisende aus den drei westafrikanischen Ebola-Ländern. Die Spitzenverbände der Ärzte in Deutschland riefen Mediziner zum freiwilligen Ebola-Einsatz in Westafrika auf.

Die Krankheit

Der Virus: Ebola ist eine seltene Infektionserkrankung, die seit 1976 mehrmals in afrikanischen Staaten auftrat - der aktuelle Ausbruch, der 2013 in Guinea begann, ist der bisher größte. In 50 bis 80 Prozent der Fälle endet die Krankheit tödlich.

Die Infektion: Ebola wird nicht durch die Luft, sondern in direktem Kontakt mit Körperflüssigkeiten anderer Menschen übertragen (Blut, Speichel u.a.).

Die Symptome: Die Krankheit beginnt mit Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Hals- und Bindehautentzündung und Übelkeit. Es folgen Erbrechen und Durchfall sowie Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Bei schweren Verläufen können Niere, Leber und andere Organe versagen.

Die Ansteckungsphase: Bis zum Auftreten von Symptomen vergehen mindestens zwei, höchstens 21 Tage. Die Betroffenen sind ansteckend, sobald sie Symptome entwickeln und solange sie Fieber haben. In Samenflüssigkeit können die Viren noch bis zu drei Monate nach der Genesung enthalten sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort