GA Porträt Der kleine Papst

ROM · Auf viele Bischöfe in Italien wirkt Nunzio Galantino wie ein Fremdkörper. Im Klerus ist der Generalsekretär der italienischen Bischofskonferenz etwa so umstritten wie Papst Franziskus im Vatikan. Dort versuchen konservative Kleriker den Einfluss des Papstes so gering wie möglich zu halten und kritisieren Aktionen und Worte des Pontifex.

 Nunzio Galantino.

Nunzio Galantino.

Foto: dpa

So ähnlich geht es jetzt auch dem Mann, den Franziskus eingesetzt hat, um die katholische Kirche Italiens auf seine Linie zu bringen. In Italien ist die Stimme von Bischof Nunzio Galantino derzeit kaum zu überhören. Überall mischt sich der 67 Jahre alte Generalsekretär der Bischofskonferenz ein und macht sich viele Feinde.

Die Deutlichkeit seiner Worte erinnert nicht zufällig an Jorge Mario Bergoglio. Die italienische Regierung versage in der Flüchtlingsfrage, sie sei "abwesend", behauptete Galantino neulich. Die heutige Politik sei ein "Puzzle persönlicher Ambitionen in einem kleinen Harem von Auserwählten und Schlaumeiern". Sein Ton klingt vertraut. Nicht wenige fühlten sich in der Wortwahl Galantinos etwa an die Kurienschelte des Papstes vor Weihnachten erinnert.

Galantino hingegen zielte auf die Politik. Er kritisierte Populisten, die die fremdenfeindliche Stimmung im Land anheizen und bezeichnete sie als "billige Marktschreier auf Stimmenfang". Das kam bei denselben nicht gut an. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini bezeichnete Galantino als "Kommunisten". Regierungsvertreter stempelten die Worte des Generalsekretärs als Pauschalkritik ab.

Wie der Papst hat auch Galantino wenig für diplomatischen Ton übrig. Das schafft beiden Feinde, aber zugleich auch ein hohes Maß an Übereinstimmung. Galantino ist so etwas wie der kleine Papst in Italien. Franziskus nominierte den Bischof der kleinen kalabrischen Diözese Cassano del Ionio sehr überraschend und bald nach seinem Amtsantritt als Generalsekretär.

Auf diesem Posten werden die Fäden in der italienischen Kirche gezogen. Zuletzt bestätigte Franziskus Galantino für fünf Jahre in seinem Amt. Leute wie der Präsident der Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, sind darüber nicht besonders erfreut. Offene Beschwerden gegen Galantino erlaubt sich jedoch niemand, denn sie käme Kritik am Papst gleich. Manche behaupten, mit Galantino, der wie Franziskus unerlässlich die Rechte von Flüchtlingen und Mittellosen hervorhebt, gehe eine Ära in der italienischen Kirche zu Ende.

Traditionell suchte die tonangebende konservative Linie im italienischen Klerus lange die Nähe zur herrschenden Klasse in Italien. Insbesondere der frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Camillo Ruini, verkörperte diese Linie und das sogar, als Silvio Berlusconi als Ministerpräsident das konservative politische Spektrum besetzte. Erst spät distanzierte sich die katholische Kirche von Berlusconis Ausschweifungen.

Galantino, so scheint es, geht nun einen ganz eigenen und doch vom Papst vorgezeichneten Weg. Er riskiert Spannungen mit den Institutionen und schweigt etwa zur Debatte um die Einführung der Homo-Ehe in Italien. Auch das verstehen manche als Signal. Sein Stil erinnert an Franziskus. Galantino fuhr als Bischof im Kleinwagen, verzichtete auf Machtinsignien, Sekretär und eine geräumige Wohnung im Bischofspalais. Stattdessen lebte er im Seminar. Nun bekommt der Generalsekretär intern Gegenwind. Doch Galantino kann sich sicher sein: Er hat den Papst als Unterstützung im Rücken.

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