Finanzen Das hellenische Rentner-Paradies

BRÜSSEL · Der griechische Premier Alexis Tsipras war noch nicht in Berlin gelandet, da sorgten Angaben über den hohen Lebensstandard in seiner Heimat schon für neuen Ärger.

Die Zahlen über die griechischen Renten, die aus dem Kreis der Troika-Unterhändler von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds stammen, belegen nämlich, dass es den hellenischen Pensionären offenbar mindestens so gut wie den Ruheständlern in Deutschland geht - einigen sogar deutlich besser. Und das trotz der immensen Staatsverschuldung.

Demnach erhalten Bezieher einer Standardrente, die man nach Erfüllung der vollen Beitragspflicht erhalten würde, 80 Prozent des Durchschnittslohns - immerhin 1100 Euro. In Deutschland werden 48 Prozent ausgezahlt, was nach Angaben der Rentenversicherung im Westen 1287 Euro, im Osten 1187 Euro entspricht. Noch aufschlussreicher sind die tatsächlich gezahlten Beträge. Nach Angaben des Athener Arbeitsministeriums erhalten Rentner derzeit im Schnitt 958,77 Euro, während der deutsche Durchschnitts-Ruheständler 734 Euro im Westen und 896 Euro im Osten bekommt.

Dass diese Zahlen für Unmut in Brüssel und Berlin sorgen würden, war klar, schüren sie doch die Verärgerung all jener, die den Hellenen vorwerfen, nicht genügend Sozialreformen angepackt zu haben.

Allerdings ist diese Analyse alles andere als neu. Schon vor genau fünf Jahren hatte das Europäische Statistikamt Eurostat auf die Schieflage hingewiesen. Schon damals erhielten griechische Erwerbstätige, die vor 1993 angefangen hatten zu arbeiten, 80 Prozent des Durchschnittsgehalts der letzten fünf Jahre als Ruhestandsbezüge. Später in den Job eingetretene Arbeitnehmer konnten mit immerhin noch 70 Prozent rechnen.

2010 wurden darüber hinaus die Pensionen 14 Mal ausbezahlt - jeweils zu Weihnachten und zu Ostern gab es eine volle Monatsrente als Zuschlag. Zwar mussten die Hellenen ihre Ruhegelder auch versteuern, aber weder Beiträge zur Krankenversicherung noch zur Pflege wurden abgezogen. Kein Wunder, dass eine Rentenreform seit damals auf der Liste der Troika ganz oben stand.

Solche Korrekturen gab es auch: Weihnachts- und Oster-Bonus wurden gestrichen, das gesetzliche Renteneintrittsalter hob man von 65 auf 67 Jahre an. Die Höhe der Gelder im Alter errechnet sich künftig auch nicht aus den letzten fünf Berufsjahren, sondern aus dem Durchschnitt aller Bezüge während der Beitragsphase.

Sehr viel deutlicher als diese Durchschnittszahlen zeigt die Verteilung der Ruhestandsbezüge, ob an der Darstellung der Tsipras-Regierung von der Altersarmut wirklich was dran ist. Demnach beziehen 20 Prozent der Rentner bis zu 500 Euro im Monat, 38 Prozent bekommen 500 bis 1000 Euro ausgezahlt. 23 Prozent stehen mit 1000 bis 1500 Euro deutlich besser da. Und 17 Prozent können sich über Bezüge von mehr als 1500 Euro freuen.

Das Problem ist die Zukunft. Griechische Behörden gehen davon aus, dass bis 2060 sechs von zehn Hellenen über 65 Jahre alt sein werden. Bis dahin muss die Rentenversicherung so ausgebaut werden, dass die Überzahl nicht erwerbstätiger Personen bezahlbar ist. Eine solche Weichenstellung wäre bald nötig.

Dennoch bleiben nach Auffassung der Unterhändler, die die griechischen Bücher prüfen, Schieflagen, die zeigen, dass sich Griechenland Zuschläge bei den Sozialleistungen gebilligt hat, die unbezahlbar werden. Und die bei den anderen Euro-Ländern auf Verärgerung stoßen.

Als Finanzminister Gianis Varoufakis im Kreise seiner Ministerkollegen darstellte, warum es nötig sei, den Mindestlohn von derzeit 580 auf deutlich über 700 Euro anzuheben, kassierte er prompt eine scharfe Zurückweisung seiner estnischen Kollegin Maris Lauri. Die wies nämlich darauf hin, dass der angestrebte hellenische Mindestlohn deutlich über dem durchschnittlichen Einkommen in ihrem Land liege und sie nicht einsehe, warum die Esten "einen solchen Luxus" finanzieren sollten.

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