Griechenland-Debatte im Bundestag Bis zur allerletzten Sekunde

BERLIN · Der griechische Patient. Er liegt gerade notbeatmet auf der Intensivstation. Und Bundestagspräsident Norbert Lammert schaltet in dieser Mittagsstunde tatsächlich für zwei Minuten zurück nach Srebrenica.

 Anstrengende Tage: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble während der Griechenland-Debatte.

Anstrengende Tage: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble während der Griechenland-Debatte.

Foto: AFP

Gleich wird der Bundestag über gut zwei Stunden über das Euro-Sorgenkind Nummer eins, über Griechenland, debattieren. Doch vorher ein Blick in die Geschichte. So will es Lammert. 11. Juli 1995, der Tag, an dem Truppen der bosnischen Serben mit General Ratko Mladic die UN-Enklave Srebrenica überfallen.

Mladic' Soldateska bringt rund 8 000 männliche bosnische Muslime um, die niederländische Blauhelme nicht schützen können. Bis heute ist Srebrenica Synonym dafür, dass Völkermord in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wieder möglich war.

Was Srebrenica mit Griechenland zu tun hat? Mögen die Eurodebatten auch lästig sein, so erinnerten die Verbrechen von Srebrenica im Südosten Europas, aber eben außerhalb der Europäischen Union, auch daran, "dass die europäische Idee wesentlich von dem Bestreben getragen wird, das friedliche Zusammenleben der Völker in Europa zu befördern und zu erhalten", mahnt Lammert.

Die Einheit Europas also als eine Frage von Krieg und Frieden? Oder wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mittlerweile mantragleich erklärt, dass Europa scheitere, wenn der Euro scheitere. Merkel reicht in dieser Debatte der griechischen Regierung ein weiteres Mal die Hand: "Die Tür für Griechenland war immer offen. Und sie bleibt immer offen." Keine Frage, turbulente Tage lägen hinter Europa in der Staatsschuldenkrise. Aber vor allem gehe es um die Menschen in Griechenland. "Sie sind ein stolzes Volk." Deswegen die Politik der offenen Tür.

"Das sind wir den Menschen schuldig. Und das sind wir auch Europa schuldig." Nur eines macht Merkel klar. "Wir warten jetzt das Referendum ab." Vor dem Ergebnis eines Referendums könne über kein neues Hilfspaket verhandelt werden. Und wenn verhandelt werde, dann ohnehin nur mit Mandat des Bundestages, dessen 631 Abgeordnete morgen mit der Empfehlung in die Sommerpause gehen: "Schwimmen Sie nicht so weit raus", wie Lammert gern sagt. Die Wahrscheinlichkeit von Sondersitzungen wegen Griechenland gilt als hoch. Es geht ja um Steuerzahlers Geld.

Die Kanzlerin jedenfalls betont, es gehe aktuell nicht um 400 Millionen Euro oder um 1,5 Milliarden Euro, zugegeben "alles große Beträge", die Griechenland seinen Gläubigern überweisen müsste. Europa sei eine "Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft", die von der Fähigkeit zum Kompromiss lebe. Oppositionsführer Gregor Gysi (Die Linke) stimmt Merkel zu und argwöhnt zugleich.

Nein, es gehe nicht um 400 Millionen oder 1,5 Milliarden, denn: "Sie wollen die linke Regierung in Griechenland beseitigen." Und: "Sie sagen, erst nach dem Sonntag, weil sie hoffen, dass am Sonntag die Regierung (in Athen) stürzt." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wird laut, mindestens eindringlich: Griechenland werde zu keinem Zeitpunkt beides können: Sparauflagen erfüllen und Schulden zurückzahlen, deswegen Umschuldung.

Bleibt noch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Ein "Skandal" sei es, dass eine linke Regierung es zulasse, dass die Reichen ihr Geld außer Landes schafften. Und bitte, würde die Euro-Zone den Bedingungen der Griechen nachgeben, "dann wäre dies der Einstieg in eine Transferunion". Merkel nickt am Ende bedächtig, aber zustimmend: gut gemacht, Vizekanzler!

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