Bundeswehreinsatz in Mali Aussichtsloses Unterfangen

BONN · Fast 4500 Kilometer Luftlinie Entfernung, Temperaturunterschied knapp 35 Grad. Während die Familie von Ralf Peter Hammerstein im rheinischen Windhagen auf den Frühling wartet, schwitzt der Oberstleutnant im deutschen Feldlager in Koulikoro in Mali bei gut 40 Grad im Schatten.

 Oberstleutnant Ralf Peter Hammerstein (2. von rechts) bei der Ausbildung in Mali.

Oberstleutnant Ralf Peter Hammerstein (2. von rechts) bei der Ausbildung in Mali.

Foto: BUNDESWEHR/BOEHNKE

Am Rand des Camps, das etwa 65 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Bamako liegt, fließt träge der Niger vorbei. Hammerstein ist zufrieden: "Man fühlt sich wohl hier aufgrund der aufgeschlossenen, toleranten und trotz aller Armut fröhlichen Art der Menschen."

Seit einem halben Jahr ist Hammerstein der Chef von 150 deutschen Soldaten, die in Mali in Einsatz sind. Wird, um es in Anlehnung an den Satz eines ehemaligen Verteidigungsministers zu sagen, die Bundesrepublik jetzt schon am Rande der Sahara verteidigt? Hammerstein würde das so nie sagen. "Wir nehmen hier unsere Sicherheitsinteressen gemeinsam mit anderen europäischen Partnern wahr", erklärt der 41-Jährige, der in Linz am Rhein aufgewachsen ist.

"Und diese Interessen wurden uns spätestens 2012 vor Augen geführt, als dieser Staat kurz vor dem Zusammenbruch stand wegen der terroristischen und islamistischen Angriffe, die auch die Hauptstadt bedrohten." Natürlich, Mali ist weit weg von Deutschland. Aber es gehört, als südlicher Nachbar von Algerien, auch zum nordafrikanischen Raum. "Wenn der Staat zusammenbricht", so Hammerstein, "haben Terroristen hier Ressourcen und Möglichkeiten, die sie sonst nicht hätten. Und das ist auch eine Gefahr für uns." Die Sorge ist nicht aus der Luft gegriffen. In Libyen zeigen die Terroristen des "Islamischen Staates" gerade, wie man sich ein politisches Vakuum zunutze machen kann.

Die Franzosen schickten 2013 Truppen, um gemeinsam mit der malischen Armee das Auseinanderbrechen des Staates zu verhindern. Im Juli 2013 begann der Einsatz der UN-Friedensmission Minusma, an der die Bundesrepublik mit maximal 150 Soldaten und anfänglich auch mit Transportflugzeugen beteiligt ist. Insgesamt besteht das UN-Kontingent aus rund 6500 Soldaten und knapp 1000 Polizisten.

Noch immer ist die Sicherheitslage problematisch. Das Land ist zweigeteilt: "Je weiter man vom Nigerbogen aus nördlich kommt, etwa von Timbuktu an, desto gefährlicher wird es", erklärt Hammerstein. "Dort ist die Gefahr durch Anschläge von Tuareg oder islamistisch-terroristische Gruppierungen sehr groß." Hammerstein und seine Leute sind Teil der europäischen Ausbildungsmission EUTM Mali (European Union Training Mission Mali), die parallel zur UN-Mission gestartet wurde. Ziel des Auftrags: die malische Armee zu befähigen, selbst für Stabilität zu sorgen.

Doch ist das überhaupt realistisch? Hammerstein verhehlt seine Skepsis nicht. Die malische Armee hat gerade mal 30 000 Soldaten, das Land ist fast vier mal so groß wie die Bundesrepublik. "Bei der aktuellen Sicherheitslage ist das mit den Streitkräften nicht zu machen", sagt der Oberstleutnant. Er setzt auf einen politischen Prozess, auf die Friedensverhandlungen, die jetzt in Algier wieder begonnen haben.

Und tut, was er und seine Leute tun können. Insgesamt acht Gefechtsverbände à 600 Mann werden von der EUTM Mali ausgebildet, auch Kommandeure werden geschult. Die Deutschen konzentrieren sich auf Infanterie-, Logistik- und Pionierausbildung. Und kämpfen dabei vor allem mit Mangel in jeder Hinsicht. "Material fehlt an allen Ecken und Enden", sagt Hammerstein. Kampfanzüge, Feldbetten, leichte Waffen, schwere Waffen, Fahrzeuge, Fernmeldegeräte, Kraftstoff - "je komplexer das Material ist, desto weniger gibt es". Dazu kommt das Logistik-Problem der malischen Armee: "Das Gerät oder Material ist nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort."

Hammerstein ist klar, dass die Ausbildung der Soldaten allein nicht reicht. 5000 Mann werden die Ausbildung der EU-Mission durchlaufen, die malische Armee soll danach selbst in der Lage sein, die restlichen Soldaten zu trainieren. Doch das wird schwierig. In der Vergangenheit habe die malische Armee eigentlich gar nicht ausgebildet. "Da muss sich auch in den Köpfen etwas ändern", fordert der Deutsche und schlussfolgert: "Wir müssen uns mit der Aus- und Fortbildung mehr auf die Führungsebene konzentrieren, auch in den Ministerien. Da ist bisher sicher nicht genug gemacht worden."

Hammerstein wird das selbst nicht mehr in die Hand nehmen können. Anfang März kehrt er nach Windhagen zurück - dann endet sein Einsatz in Mali.

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