Internetpropaganda macht Sorgen Auch für Moskau wird der IS zum Problem

MOSKAU · Sicher, Warwara habe sich für arabische Kultur interessiert. "Aber doch nicht in diesem Maße", versichert ihr Rechtsanwalt. Ihr Vater sagt, jemand habe ihr vor ihrem Abflug in die Türkei psychotropische Mittel verabreicht. Moskaus Zeitungen schreiben, Warwara habe sich in einen Islamisten mit dem Internetnamen "Klaus Klaus" verliebt.

 Auch für Moskau wird der IS zunehmend zum Problem.

Auch für Moskau wird der IS zunehmend zum Problem.

Foto: Symbolfoto: dpa

Warwara selbst soll laut Komsomolskaja Prawda nach ihrer glücklichen Heimkehr dem Vater gestanden haben: "Papa, ich habe mich geirrt." Die Moskauer Studentin Warwara Karabanow war Anfang Juni nahe der türkischen Grenze zu Syrien aufgegriffen worden. Sie hatte versucht, das Gebiet zu erreichen, das von den Kriegern des Islamischen Staates (IS) kontrolliert wird, um sich ihnen anzuschließen.

Jahrelang kommentierten Moskaus Offizielle den Kampf des Westens gegen die IS-Guerilla eher mit Häme: Die USA hätten die Terroristenarmee in ihrem Bemühen, den syrischen Staatschef Baschar Assad zu stürzen, selbst großgezogen. "Du fängst an, die Terroristen in 'schlechte' und 'nicht ganz so schlechte' zu teilen, und schon hast du ,Al-Kaida' oder ,Islamischer Staat?", räsoniert der FSB-General Oleg Syromolotow, gerade zum Vizeaußenminister für Terrorbekämpfung ernannt, gegenüber der Zeitung Kommersant.

Trotzdem ist der IS inzwischen auch zum russischen Problem geworden. Außenminister Sergei Lawrow gestand kürzlich, über 2000 IS-Kämpfer stammten aus Russland. Nach westlichen Angaben sind 1700 davon Tschetschenen, über 700 sollen schon gefallen sein. IS-Chef Abu Bakr Al Bagdadi hat Russland, den Waffenlieferanten seines Gegners Assad, zum Hauptfeind neben den USA erklärt.

Es wirkt also geheuchelt, wenn Syromolotow die "bitteren Lektionen", die Russland den Terroristen gerade in Tschetschenien erteilt habe, als Vorbild hinstellt. Zumal im benachbarten Dagestan weiter bürgerkriegsartige Zustände herrschen. "Die Sicherheitskräfte machen Jagd auf verdächtige und unverdächtige Jugendliche, töten sie, treiben sie in den Untergrund, sähen Hass in ihren Familien", klagt der Kaukasusexperte Enwer Kisrijew unserer Zeitung.

Und in Russland wächst die Angst vor Heimkehrern von den IS-Schlachtfeldern. Und vor der Internetpropaganda, mit der der IS, aber auch die regionalen Islamisten des "Emirats Kaukasus", nach neuen Anhängern fischen. Nach Angaben des Ethnologen Achmet Jarlykapow agiert allein der IS mit über 40.000 Twitter-Konten, laut der Internetzeitung Medusa ist Russisch nach Englisch die Sprache, die die IS-Propagandisten bei der Übersetzung ihrer Videos am meisten verwenden.

Die russische Gesellschaftskammer eröffnet am 1. August eine "Heiße Linie" für Bürger, die fürchten, dass ihre Kinder unter islamistischen Einfluss geraten sind. Und Psychologen sollen Schüler und Studenten lehren, wie man dem Terrorismus widerstehen kann. Allerdings fehlt es laut der Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta an den nötigen Dozenten.

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