Krisentreffen der Finanzminister Athen bekommt die Quittung

BRÜSSEL · Allen Drohungen und Katastrophenmeldungen zum Trotz bekommt Athen vorerst kein frisches Geld aus der Kasse der Euro-Familie.

 Vollmundige Drohungen: Verteidigungsminister Panos Kammenos.

Vollmundige Drohungen: Verteidigungsminister Panos Kammenos.

Foto: dpa

Bei einem erneuten Krisentreffen der 19 Finanzminister der Währungsunion in Brüssel lehnten es die Vertreter der Mitgliedstaaten gestern strikt ab, die vor gut zwei Wochen beschlossene Linie aufzuweichen. "Seitdem hat sich nicht viel getan", erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei seinem Eintreffen in Brüssel und forderte die griechische Seite erkennbar verärgert auf, "einseitige Veränderungsversuche endlich zu unterlassen".

Der Grund für die spürbare Wut der Kassenwarte: Am vorangegangenen Wochenende hatten Finanzminister Gianis Varoufakis und Premier Alexis Tsipras immer neue Drohungen gegen die Partner formuliert. Noch am Freitag wollte Regierungschef Tsipras ein sofortiges Krisengespräch mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben, weil sich der Fehlbetrag im Athener Haushalt bis Mitte 2015 auf 42 Milliarden summieren werde.

Dann drohte Varoufakis mit der Auflage kurzfristiger Staatsanleihen, die ohne Genehmigung der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht zulässig sind. Schließlich verstieg sich die hellenische Regierung sogar zu der Ankündigung, man werde die Flüchtlingslager öffnen, um die Menschen mit EU-Reisevisa die übrigen Länder "überfluten" zu lassen. "Wir sind zutiefst verärgert über die Art, wie die griechische Regierung mit der EU umgeht", sagte ein hoher Brüsseler Diplomat.

Dabei hatte Finanzminister Varoufakis Ende vergangener Woche einen Sechs-Punkte-Plan an den Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, geschickt, der die Bereitschaft zu schnellerer Hilfe fördern sollte. Er enthielt Vorschläge zur Kontrolle der Steuereinnahmen, zum Kampf gegen Steuerbetrug, an dem auch Touristen teilhaben sollten, indem sie Tavernen-Besitzer melden, die keine Quittungen ausstellen.

"Von den 20 Maßnahmen, die die Griechen vorschlagen mussten, haben sie sechs präsentiert", betonte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Und setzte noch schärfer hinzu: "Der Brief wird heute nicht diskutiert." Er habe ihn an die Europäische Zentralbank, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die EU-Kommission weitergeleitet. "Die sollen schauen, ob das alles überhaupt was taugt." Davon abgesehen misstrauen die Finanzminister des Euro-Raums den Zahlenangaben zutiefst und bestehen auf einer Inspektion vor Ort.

Zwar hatte die griechische Regierung die Troika abschaffen wollen. Jetzt kommt sie wieder. "Die Institutionen müssen sich ein genaues Bild machen können", hieß es aus dem Finanzministerrat. "Ohne verlässliche Daten passiert gar nichts."

Somit hat Athen den Schlüssel zu seiner Rettung wieder selbst in der Hand. Denn mit einem Reformplan, der von der Eurogruppe angenommen werden würde, wäre auch der Weg zum Aufkauf griechischer Staatsanleihen frei. Die EZB nimmt seit gestern immerhin 60 Milliarden Euro pro Monat in die Hand, um Papiere zurückzukaufen. Athener Anleihen sind nicht darunter, solange die Europartner mit den zugesagten Fortschritten unzufrieden sind.

Dabei muss Varoufakis schon in zwei Wochen die nächste Rate in Höhe von 1,5 Milliarden Euro eines IWF-Kredits begleichen. Bis Mitte des Jahres werden mindestens 20 Milliarden fällig, von den jetzt bekannt gewordenen Problemen, die Gehälter von Staatsbediensteten und Lehrern zu bezahlen, ganz abgesehen.

Gestern ließen sich weder die Eurogruppe noch die Investoren erweichen. Repräsentanten der Gläubiger stellten sich hinter die Finanzminister: "Was Athen bisher an Reformen vorgeschlagen hat, ist einfach nur amateurhaft." Nun verhandeln die Griechen am Mittwoch wieder mit den Geldgebern.

Schrille Drohungen

Griechische Politiker sorgen im Schuldenstreit mit zunehmend schrillen Äußerungen zu Flüchtlingen für Unverständnis und Empörung. Verteidigungsminister Panos Kammenos drohte damit, Zehntausende Flüchtlinge in andere EU-Staaten weiterzuschicken, darunter eventuell auch Mitglieder der IS-Terrormiliz, wenn Europa Athen in der Schuldenfrage nicht entgegenkomme. Kammenos sagte: "Wenn sie Griechenland einen Schlag versetzen, dann sollen sie wissen, dass (...) die Migranten (Reise-) Papiere bekommen und nach Berlin gehen." Kammenos ist Chef der rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen", die Juniorpartner in der Athener Links-Rechts-Regierung ist.

Als "absolut inakzeptabel" bezeichnete dies der Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU). Die Drohung mit einem Ausschluss Griechenlands aus dem Schengenraum müsse erwogen werden. Das wäre ein "starkes letztes Mittel", sollte sich die Athener Regierung uneinsichtig zeigen, sagte der Politiker dem "Handelsblatt". Scharfe Kritik äußerte auch der Chefhaushälter der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs. Die "halbstarken Sprüche" des Verteidigungsministers seien nicht akzeptabel, sagte Kahrs. Ein Sprecher der Bundesregierung rief Athen zur Ordnung. "Jeder Mitgliedstaat muss sich an die bestehenden Vereinbarungen halten", sagte er.

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