Wostotschny in Mariupol 19 Raketen auf ein Wohngebiet

MOSKAU · Alle Zeiger deuten nach Osten. Am Samstag zerstörten 19 "Grad"- und "Uragan"-Raketen im Wohnviertel Wostotschny am Ostrand der ukrainischen Hafenstadt Mariupol zahlreiche Häuser, töteten 30 Menschen, verletzten mehr als 100.

 Rauch steigt nach dem Raketenangriff aus diesem Haus in Mariupol auf.

Rauch steigt nach dem Raketenangriff aus diesem Haus in Mariupol auf.

Foto: dpa

Wie der der Mariupoler Arzt Pjotr Dymtschenko unserer Zeitung sagte, gingen seit Wochen immer wieder Grad-Raketen in den Feldern vor dem Viertel Wostotschnoje nieder. "Das diente offenbar, um der Stadt Angst zu machen." Aber es sei rätselhaft, warum die gegnerische Artillerie jetzt mitten in das Wohnviertel hineingeschlagen habe.

"Vielleicht hat ein betrunkener Russe den Befehl gegeben." Fachleute der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigten, die Raketen seien aus Ortschaften östlich von Mariupol abgeschossen worden, die von prorussische Rebellen kontrolliert würden.

Auch ukrainische Politiker machten umgehend die von russischen Militärs unterstützten Verbände der Donezker und Lugansker Separatistenrepubliken verantwortlich. Präsident Petro Poroschenko brach am Samstag einen Besuch in Saudi-Arabien ab und forderte, beide "Volksrepubliken" müssten zu terroristischen Organisationen erklärt werden. "Es ist auch an der Zeit, ihre Schutzherren beim Namen zu nennen", spielte er auf Russland an. Er forderte eine Fortsetzung des Minsker Friedensprozesses.

Die Gegenseite lieferte widersprüchliche Erklärungen ab. Der Rebellenpremier Alexander Sachartschenko erklärte am Samstag in Donezk, an diesem Tage hätte der Angriff auf Mariupol begonnen. "Das wird das beste Denkmal für unsere Gefallenen."

Der russische Staatssender NTW zeigte Siegerbilder von angeblichen Rebellenkämpfern in Mariupol. Später verbesserte sich Sachartschenko, niemand habe vor, die Stadt zu stürmen. "Wir sind keine wilden Tiere wie in Kiew." Allerdings habe er nun den Befehl erteilt, die ukrainischen Positionen östlich von Mariupol auszuschalten.

Tatsächlich wurde weder am Samstag noch gestern in und um Mariupol gekämpft. Aber seit Wochen scheinen die Kriegsparteien darin zu wetteifern, unschuldige Zivilisten umzubringen. Am 13. Januar traf eine Grad-Rakete einen Autobus in der Nähe eines ukrainischen Kontrollpunkts bei der Stadt Wolnowacha - 13 Tote.

Vergangenen Freitag landeten Artilleriegeschosse an einer Bushaltestelle in der Rebellenhochburg Donezk - acht Tote. Dazwischen starben Dutzende Menschen durch Geschosse, die auf beiden Seiten der Front einschlugen. Und vieles spricht dafür, dass sie von der anderen Seite abgefeuert wurden, auch wenn man sich gegenseitig Provokation vorwirft.

"Krieg verroht Soldaten, ihre Rücksicht auf Zivilisten schwindet mit jedem Tag", sagt der russische Schriftsteller und Tschetschenienveteran Arkadi Babtschenko. Für die Propaganda Russlands und der Rebellen ist das Rekordgemetzel von Mariupol ein Waterloo. Sie hatten die ukrainischen Artillerieeinschläge in Wohngebieten immer wieder als Beweis für die Völkermordabsichten Kiews angeführt.

Einzelne Stimmen in Moskau äußern jetzt Scham. "Alles Blut, was vergossen wird, klebt an Russland, an uns, an mir", schreibt der Oppositionsblogger Ayder Muschdabajew.

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