Patienten in der Pflicht Ärzte verlangen Gebühren bei Terminausfall

Düsseldorf/Berlin · Arztpraxen verlangen neuerdings Geld, wenn Patienten ihre Termine nicht wahrnehmen oder kurzfristig absagen. Das Vorgehen ist rechtlich umstritten.

Niedergelassene Ärzte verlangen immer häufiger eine Ausfallgebühr von Patienten, die zum vereinbarten Termin nicht erschienen sind und ihn nicht oder zu kurzfristig abgesagt haben. In Düsseldorf etwa werden in manchen Praxen 40 Euro für ein Nicht-Erscheinen fällig, aus Bonn ist ein ähnliches Vorgehen bekannt. Ärzte und Kassenärztliche Vereinigungen begründen dieses Vorgehen vieler Ärzte damit, dass bis zu 30 Prozent der vereinbarten Arzttermine nicht wahrgenommen würden. Dies führe zu Organisationsproblemen in den Praxen und zu Verdienstausfällen. Jährlich vergeben Arztpraxen in Deutschland 600 Millionen Termine.

Ob die Gebühren rechtens sind, ist umstritten. Bisher entschieden Gerichte mal für den Patienten, mal für den Arzt. Hintergrund der Entwicklung dürfte auch das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sein, das viele Ärzte verärgert. Es wird voraussichtlich am 1. Mai in Kraft treten. Es verpflichtet niedergelassene Ärzte, mindestens 25 Sprechstunden pro Woche anzubieten. Die große Koalition will damit die durchschnittlichen Wartezeiten von gesetzlich Versicherten auf Facharzttermine verkürzen. Die Ärzteschaft wehrt sich vehement dagegen, weil sie darin einen unzulässigen Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit sieht.

Ein Arzt erklärte dieser Zeitung, die Ausfallgebühr von 40 Euro entspreche seinem Honorar für eine Sprechstunde von 15 Minuten. Vielen Patienten sei nicht bewusst, was ihr unentschuldigtes Fernbleiben für eine Praxis bedeute. Er und seine beiden Mitarbeiterinnen hätten dann einen "Leerlauf", und Patienten, denen man gerne einen Termin geben würde, könne man keinen geben, weil der Terminplaner voll sei.

15 Prozent der Termine werden nicht wahrgenommen

15 Prozent aller Facharzt-Termine, die seit 2016 über die Termin-Servicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen vermittelt werden, würden aktuell von den Patienten nicht wahrgenommen, und zwar meist unentschuldigt, sagte ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Der Ärger der Mediziner sei nachvollziehbar. Der NAV-Virchow-Bund, der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, spricht sogar von einer Ausfallquote von 30 Prozent und forderte daher jüngst, Terminschwänzer für Termine über die Servicestellen für einen Zeitraum von vier Wochen zu sperren.

Juristisch ist die "Gebühr" strittig. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür zwar im Bundesmantelvertrag oder vertragsärztlichen Bereich nicht, sagt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein. Beurteilt werden Fälle von Gerichten allerdings sehr unterschiedlich. Darauf weist auch die Verbraucherzentrale hin. So gaben Gerichte schon Ärzten recht, wenn etwa in der Bestellpraxis eine zeitaufwendige Behandlung angestanden hatte. Dafür müsse aber eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Arzt und Patient bestehen.

Der Kölner SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisierte Ärzte, die Ausfallgebühren verlangen. "Sehr häufig wird der Patient wegen einer Überweisung oder anderem in die Praxis einbestellt, obwohl es gar nicht notwendig wäre. Dafür wird er ja auch nicht entschädigt", sagte Lauterbach. "Diese Art Zusatzeinkommen für die Ärzte lehne ich ab."

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