Pegida in Dresden Zwei Jahre Hass und Hetze

Dresden · Im Oktober 2014 sind es ein paar Hundert, die in Dresden gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes mit fremdenfeindlichen Parolen auf die Straße gehen. Schnell werden es Tausende. Der große Andrang sind längst vorbei - aber Pegida ist immer noch da.

Oft schon totgesagt, laufen sie noch immer montags durch Dresden. Es laufen zwar längst nicht mehr so viele Anhänger des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses wie zu Hochzeiten Anfang 2015 mit. Damals kamen bis zu 25.000 Menschen zu den „Spaziergängen“. Aber zwei Jahre nach der Gründung sind sie beständiger als viele gedacht haben. „Dresden zeigt, wie's geht“ ist von Anfang an eine beliebte Parole. Aber in der Republik macht es kaum mehr einer nach.

Regelmäßiger Protest vermeintlich „besorgter Bürger“ ist andernorts eingeschlafen oder auf Häufchen zusammengeschmolzen, auch in Sachsen. Nur in der Landeshauptstadt versammelten sich im vergangenen halben Jahr noch Woche für Woche zwischen 2000 und 3000 selbst ernannte „Patrioten“. Und die Halbe-Million-Stadt leidet, nicht nur am Image.

Am Sonntag stehen bei der Jubiläums-Kundgebung gut 8000 Menschen vor der Semperoper. Eigentlich wollten sie den „Geburtstag“ an einem Montag feiern. Da der symbolträchtige Platz aber durch eine länger angemeldete Gegenkundgebung besetzt war, wurde die Veranstaltung kurzerhand vorverlegt. Schon die Nazis und später auch die Kommunisten hatten die historische Kulisse für Kundgebungen genutzt.

Als Geburtstagsgäste kommen alte Bekannte. Unter ihnen der Österreich-Chef der in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung, Martin Sellner, der Chefredakteur des neu-rechten „Compact“-Magazins, Jürgen Elsässer, und der Bundesvorsitzende der rechtspopulistischen Kleinpartei „Die Freiheit“, Michael Stürzenberger.

Längst geht es bei Pegida nicht allein mehr um die Angst vor der viel beschworenen „Islamisierung des Abendlandes“. Die Teilnehmer rufen „Wir sind das Volk“ wie einst die friedlichen Revolutionäre, und sie sehen sich selbst in dieser Tradition. Nur dass es jetzt nicht gegen das SED-Regime geht. Sie wollen „Widerstand“ leisten gegen die „Volksverräter“ der „Merkel-Diktatur“, die mit einer „Umvolkung“ die Nation „vernichten“, sich dabei der bezahlten „Lügenpresse“ bedienen und zu Handlangern der verhassten USA und der „Weltfinanz“ machen.

Sie fordern „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“. Und sie haben kein Problem damit, dass ihr Anführer Lutz Bachmann, ein vielfach vorbestrafter Kleinkrimineller, letzteres längst getan hat. Seit Monaten lebt er auf der Ferieninsel Teneriffa, weil er dort seine „Brötchen verdienen“ muss, wie er sagt. Zu Kundgebungen kommt er immer seltener, fliegt nur noch aus der Sonne ein, um gebräunt seine Form des Patriotismus zu predigen und gegen Flüchtlinge zu hetzen, die nicht zu Hause für ihr Land kämpfen.

Zwei Spaltungen hat Bachmann bei Pegida schon überlebt: Die erste im Januar 2015, als nach Bekanntwerden seiner Hass-Postings bei Facebook und eines Hitler-Selfies Kathrin Oertel, Pegida-Frau der ersten Stunde, und mit ihr das halbe Organisationsteam von Bord gehen. Wegen der Postings ist er in erster Instanz wegen Volksverhetzung verurteilt. Im November geht der Prozess in eine neue Runde.

Zuletzt dann der Bruch mit Tatjana Festerling. Mit der Dresdner Pegida-Oberbürgermeisterkandidatin bei der Wahl 2015 - die jetzt für eine „Festung Europa“ kämpft - streitet er sich im Netz noch immer über den Vorwurf der Machtgier und die Veruntreuung von Spendengeldern.

Das mediale Interesse an Pegida hat stark nachgelassen. Es braucht schon Krawalle wie am Tag der Deutschen Einheit, um es mit übelsten Beschimpfungen der Repräsentanten des Staates und Störungen wieder einmal in die Schlagzeilen zu schaffen.

Auf Ankündigungen Bachmanns, Pegida als Partei zu gründen und bundesweit anzutreten, ist nichts gefolgt. Er sucht die Nähe zur AfD, wenn auch nicht in Sachsen. Aus seiner Feindschaft zu Parteichefin Frauke Petry macht er keinen Hehl und setzt auf andere, „befreundete“ Landesverbände. „Seit wir mit einigen AfD-Landesverbänden gute Kontakte pflegen, wird die Angst immer größer in Berlin.“

Die Angst ist es, von der Pegida lebt. Nicht die in Berlin. Die der Anhänger. Sie glauben daran, dass Ausländer vor allem Straftäter sind, Frauen vergewaltigen und „uns“ alles wegnehmen - allen voran die Muslime. Woche für Woche wird ihnen das eingebläut.

Am Sonntag mit auf dem Theaterplatz ist Irmele Mensah-Schramm. „Kein rassistischer Schmutz ohne Lutz“, steht auf dem Plakat, das die über 70-Jährige hochhält - argwöhnisch beäugt und abgeschirmt von Ordnern. Unerträglich findet die Berlinerin, die durch das Entfernen rassistischen Graffiti bekannt ist und mehrfach dafür ausgezeichnet wurde, das Pegida so in Dresden agieren kann. Gegen Rassismus gelte es, Widerstand zu leisten. Sie tue das seit Jahrzehnten. „Ich feiere mein 25-Jähriges, die erst ihr zweites“, sagt sie trotzig.

Abseits des Theaterplatzes, aber doch in Sicht- und Hörweite demonstrieren einige Hundert gegen Hass und Hetze, vorwiegend junge Linke. Ein von breiten Teilen der Dresdner Stadtgesellschaft mitgetragener Gegenprotest, wie es ihn anfänglich noch gab, ist über die Jahre eingeschlafen.

Einen Tag nach der Pegida-Kundgebung hat die Stadt Dresden zu einem Bürgerfest geladen. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) will damit zeigen, dass Dresden eine „bunte und weltoffene“ Stadt ist. „Ich glaube, dass der Zeitpunkt gekommen ist, an dem wir uns die Frage stellen müssen, in welcher Stadt wir leben wollen“, schreibt er an die Bürger. Kritiker meinen, diesen Zeitpunkt habe er bereits verpasst.

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