Ärger um Berliner BER und TXL Zukunft der Berliner Flughäfen ungewiss

Berlin · Am 24. September stimmt die Hauptstadt in einem Volksentscheid über die Zukunft des Flughafens Tegel ab. Der Kosten für den Problem-BER liegen mittlerweile bei 6,5 Milliarden Euro.

 Wird der Berliner Flughafen Tegel, Baujahr 1974, weiterhin betrieben, muss er für geschätzt 1,1 Milliarden Euro saniert werden.

Wird der Berliner Flughafen Tegel, Baujahr 1974, weiterhin betrieben, muss er für geschätzt 1,1 Milliarden Euro saniert werden.

Foto: dpa

Engelbert Lütke Daldrups Weg führt in den Untergrund. Dorthin, wo der Flughafen Tegel atmet, dampft, kühlt und auch vernehmlich ächzt. Maschinenraum eben. Dass Lütke Daldrup in die Katakomben des guten alten Tegel, also nach unten steigt, ist insofern einigermaßen bezeichnend, als der Stadtplaner mit SPD-Parteibuch mittlerweile der vierte Berliner Flughafenchef seit dem 3. Juni 2012 ist. Für diesen Tag hatte die Flughafengesellschaft damals zum großen Start des neuen Großflughafens BER getrommelt. Doch der Flughafen wurde zum Problem-BER und zum Symbol für Planungsdesaster, Behördenversagen und offensichtlich auch allzu laxe Aufsicht durch die Anteilseigner Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg. Flughafenchef Rainer Schwarz musste in unmittelbarer Folge dieses Versagens gehen. Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn übernahm. Als es auch mit Mehdorn nicht flutschte, schickte man den Maschinenbauer Karsten Mühlenfeld in die Spur. Doch auch Mühlenfeld schaffte es nicht, am BER das erste Flugzeug im regulären Flugbetrieb an den Start zu bringen.

Lütke Daldrup, zuvor Staatssekretär in der Berliner Senatskanzlei, versucht seit März dieses Jahres sein Glück als Geschäftsführer am BER. Aber ungeachtet eines Eröffnungstermins – wann auch immer – muss der neue Flughafenchef derzeit noch einen weiteren Termin im Auge haben. Am 24. September sind die Berliner nicht nur zur Bundestagswahl aufgerufen, sondern sie stimmen zugleich in einem Volksentscheid über die Zukunft des Flughafens Tegel ab. Die FDP, die 2016 mit einem Ja zu Tegel in den Wahlkampf gezogen war und diesen Volksentscheid initiiert hat, will den TXL, wie er im Fliegerjargon abgekürzt wird, offenhalten, die CDU unterstützt den Plan – jedenfalls seit sie wieder in der Opposition ist.

Als Teil der abgelösten rot-schwarzen Koalition im Land Berlin war die CDU stets gegen einen Weiterbetrieb in Tegel, sobald der BER eröffnet wäre. Jetzt aber werfen sich FDP und CDU Seite an Seite mit dem Verein Pro Tegel e.V. für den TXL in die Bresche – gegen den erklärten Willen der neuen Koalitionäre von SPD, Linken und Grünen im Land Berlin.

Lütke Daldrup jedenfalls ist in den Untergrund des alten Flughafens Tegel hinabgestiegen, zeigt Kabelschächte, führt durch die Lüftungszentrale, wo rund 250.000 Kubikmeter Luft pro Stunde gefiltert werden, verweist auf die ebenfalls betagte Sprinkleranlage. 4000 Sprinklerköpfe hier, 78.000 Sprinklerköpfe am neuen Großflughafen. Lütke Daldrups Mission: den BER an den Start bringen. Und dazu gehört auch: Den TXL schließen. So steht es im Planfeststellungsbeschluss. Spätestens sechs Monate nach dem ersten regulären Start am BER muss der Betrieb am TXL – für viele Berliner bis heute Kult – eingestellt werden. Zwei Flughäfen, so heißt es immer wieder, seien zu viel für eine Stadt, die mit 60.000 Millionen Euro chronisch verschuldet sei und zu Zeiten eines Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit schon den Haushaltsnotstand beim Bundesverfassungsgericht feststellen lassen wollte.

Cityflughafen behalten

Doch viele Berliner wollen ihren Tegel als Cityflughafen behalten. Berliner Taxen fahren mit einem Aufkleber durch die Stadt, der einen stilisierten Daumen nach oben zeigt und den Slogan: „Tegel offenhalten“. Sie erzählen ungefragt jedem Fahrgast, der es hören will (oder auch nicht): Mit dem neuen Großflughafen werde ihr Geschäft drastisch zurückgehen. Dann hätten die Brandenburger Taxifahrer das sogenannte Laderecht am BER, denn der neue Großstadtflughafen liege auf brandenburgischem Grund und Boden. Berliner Taxifahrer dürfen Gäste in Schönefeld zwar abladen, müssen aber leer nach Berlin zurück.

Flughafenchef Lütke Daldrup rechnet derweil vor, was ein Ja zu Tegel kosten würde. Ein Weiterbetrieb von Tegel werde sehr teuer, denn der Flughafen, Baujahr 1974, müsse von Grund auf saniert werden – mit Teilschließungen des Flughafens während dieser Sanierung. Geschätzte Kosten: 1,1 Milliarden Euro. Neue Fenster, neue Kabel, neue Entrauchung, neue Klimaanlage, neuer Innenausbau, einfach alles neu, würde Tegel offen gehalten. Zum Vergleich: Die Kosten für den BER, für jenen Flughafen, der einfach nicht fertig wird, sind seit Baubeginn von zwei Milliarden auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen.

Schon ärgern sich die Landes-Grünen, dass es der FDP gelungen ist, mit dem Volksentscheid für die Offenhaltung von Tegel „Emotionen“ zu wecken. Die Grünen verteilen jetzt Ohrstöpsel und reden über „Minderheitenschutz“, womit jene 300.000 Bewohner in der 3,4-Millionen-Stadt Berlin gemeint sind, die unter Fluglärm in der TXL-Einflugschneise leiden. Die Grünen-Landeschefs Nina Stahr und Werner Graf setzen auf eine Mehrheit für die Schließung von Tegel: „Wir sind davon überzeugt, dass wir gewinnen.“ Falls nicht, können sie immer noch darauf bauen, dass der Ausgang des Volksentscheids für den Senat rechtlich nicht bindend ist, weil kein Gesetzentwurf zur Abstimmung steht. Nur ein Gesetz würde den Senat rechtlich binden. Rot-Rot-Grün müsste dann allerdings den Zorn vieler Berliner bei der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus fürchten. Berlin ist zwar pleite, aber im Widerstand gegen die Obrigkeit ist die Stadt richtig gut.

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