Kommentar zur Klimapolitik Zu wenig entschlossen

Meinung | Bonn · Wer erlebt hat, wie hoch willkommen die deutsche Expertise zur Energiewende zum Beispiel in einem Land wie Chile ist und wie exzellent der Ruf der Bundesrepublik für ihre Klimapolitik dort ist, der weiß: Deutschland hat viel zu verlieren, kommentiert Bernd Eyermann.

Wer in den vergangenen Tagen die Bonner Klimakonferenz verfolgt und auch mitbekommen hat, wie die Berliner Sondierungen im Bereich Energie/Umwelt laufen, der konnte zuweilen den Eindruck haben, dass Diskussionen in Paralleluniversen verliefen. Hier: Die hoffnungsvollen Gespräche am Rhein, in denen die deutsche Delegation oft als Vorreiter auftritt und andere Länder immer wieder zu noch größeren Anstrengungen für den Klimaschutz auffordert. Dort: Die zähen Debatten an der Spree zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen, in denen große Teile von Union und Liberalen immer wieder als Bremser auftreten, wenn es darum geht, Kohlekraftwerke schnell stillzulegen.

Wer nun von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Auftritt vor den Delegierten der Cop 23 am Mittwochnachmittag erwartet hat, dass sie der deutschen Delegation Rückenwind geben würde, sich quasi an die Spitze der Klimaschutzbewegung setzen und erklären würde, wie die Bundesrepublik ihre selbst gesteckten Klimaschutzziele bis 2020 noch erreichen will, der wurde enttäuscht. Jeder weiß, dass die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 bis in drei Jahren nur möglich wird, wenn mehrere der schmutzigen Braunkohlekraftwerke im Land geschlossen werden.

Doch im Bonner WCCB trat eine typische Angela Merkel auf. Eine Kanzlerin des „sowohl als auch“, eine Moderatorin der Macht, die einerseits herausstellte, dass „die Braunkohle einen wesentlichen Beitrag leisten muss“, um die Klimaziele zu erreichen, andererseits aber auch die Bedeutung der Arbeitsplätze in diesem Industriezweig hervorhob sowie die Wirtschaftlichkeit und Bezahlbarkeit der Energieversorgung.

Man kann ihre Argumentation sogar nachvollziehen, in dieser Phase der Berliner Jamaika-Sondierungen, in der es Spitz auf Knopf steht, sensibel auszutarieren, was sie sagt und damit alle möglichen Partner einzubinden. Doch zugleich möchte man ihr zurufen: Gehen Sie entschlossener voran! Jetzt ist die Zeit, deutlich zu sagen, dass das Braunkohle-Zeitalter dem Ende entgegen geht!

„Es heißt jetzt, unseren Worten Taten folgen zu lassen“, hat Merkel in ihrer Bonner Rede gesagt, und: „Wir brauchen dringend notwendige Fortschritte für den Klimaschutz.“ Richtig so. Wenn nicht Deutschland seine Ziele erreichen will, wenn nicht das angebliche Musterland in Sachen Energiewende energisch voranschreitet, ja welches Engagement für den Klimaschutz wird man noch von jenen Ländern erwarten wollen, die sich an Deutschland orientieren? Das sind weltweit sehr viele. Wer erlebt hat, wie hoch willkommen die deutsche Expertise zur Energiewende zum Beispiel in einem Land wie Chile ist und wie exzellent der Ruf der Bundesrepublik für ihre Klimapolitik dort ist, der weiß: Deutschland hat viel zu verlieren.

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