NSU-Prozess Zschäpe-Gutachter wegen heikler E-Mail in Erklärungsnot

München · Erst eine Schachtel Pralinen, dann eine heikle E-Mail: Für Beate Zschäpes Verteidigung wird das Verhalten ihres Wunsch-Gutachters zum Fiasko. Auch Zschäpes Mutter kann nichts für ihre Tochter ausrichten.

 Die Angeklagte Beate Zschäpe betritt den Gerichtssaal in München.

Die Angeklagte Beate Zschäpe betritt den Gerichtssaal in München.

Foto: Peter Kneffel

Der Freiburger Psychiater Joachim Bauer, der die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe für vermindert schuldfähig erklärt hatte, gerät immer stärker in die Kritik.

Mehrere Nebenkläger im NSU-Prozess stellten einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, der von Zschäpes beiden Wunsch-Verteidigern als Gutachter benannt worden war.

Bekannt wurde auch, dass Zschäpes Mutter das Zerwürfnis mit ihrer Tochter gegenüber Polizeibeamten einst auch mit deren rechter Einstellung begründet hatte. Das berichtete ein Polizist, der als Zeuge geladen war. Zschäpes Mutter verweigerte zwar wie 2013 die Aussage, stimmte aber nun der Verwertung ihrer Äußerungen bei der Polizei 2011 zu. Damals sagte sie: "Die politische Einstellung meiner Tochter war nicht der ausschlaggebende, jedoch ein sehr bedeutender Grund für unser Zerwürfnis." Sie selbst tendierte demnach eher in die linke Richtung.

In dem Befangenheitsantrag der Nebenkläger gegen Bauer heißt es, dieser habe jede professionelle Distanz verloren, längst eine neutrale Position verlassen, die Befangenheit sei offenkundig. Bauer betrachte sich offenbar als "eine Art Beschützer" der Angeklagten.

Die Nebenkläger begründen das mit einer E-Mail Bauers an den Online-Chef der Welt-N24-Gruppe, in der Bauer einen "exklusiven Beitrag" über Zschäpe angeboten habe - er habe ein Gutachten erstellt, "das einigen nicht passt". "Das Stereotyp, dass Frau Zschäpe das nackte Böse in einem weiblichem Körper ist, darf nicht beschädigt werden", schrieb der Psychiater über den Umgang mit Zschäpe. Und weiter: "Eine Hexenverbrennung soll ja schließlich Spaß machen." Bauers E-Mail liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Damit diffamiere Bauer alle Prozessbeteiligten, heißt es in dem Befangenheitsantrag, den die Rechtsanwältin Doris Dierbach verlas. Der Psychiater sehe sich "offensichtlich als Retter" der Hauptangeklagten vor einer "Hexenverbrennung" - dabei habe ein Sachverständiger sein Gutachten objektiv zu erstatten. Vergangene Woche war bereits bekanntgeworden, dass Bauer versucht hatte, Zschäpe Pralinen in die Justizvollzugsanstalt Stadelheim mitzubringen.

Bauer, den Zschäpes Vertrauensanwalt Mathias Grasel benannt hatte, hatte der Angeklagten eine schwere abhängige Persönlichkeitsstörung attestiert: Zschäpe sei hochgradig abhängig von ihrem Freund Uwe Böhnhardt gewesen und habe es deshalb nicht geschafft, den "Nationalsozialistischen Untergrund" zu verlassen.

Hingegen hatte der vom Oberlandesgericht bestellte Sachverständige, der Psychiater Henning Saß, der 42-Jährigen volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Mit Bauer hatte Zschäpe - anders als mit Saß - mehrfach gesprochen.

Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit den Terroristen Böhnhardt und Uwe Mundlos im Untergrund gelebt. Während dieser Zeit sollen die Männer neun türkisch- oder griechischstämmige Gewerbetreibende und eine Polizistin erschossen haben. Zschäpe ist als Mittäterin angeklagt.

Zschäpes Mutter hatte im November 2011 ausgesagt, ihr gegenüber habe sich ihre Tochter nicht ausländerfeindlich oder rechtsextremistisch geäußert. Erst 1996, nach einer Hausdurchsuchung in ihrer Wohnung, sei ihr bewusst geworden, "dass die beiden jungen Männer und ihre Tochter Neonazis sind", berichtete der damalige Vernehmungsbeamte.

Gegenüber den Polizeibeamten beschrieb die Mutter ihre Tochter als nettes, aufgeschlossenes Mädchen. Beate sei nach Worten ihrer Mutter eine gute Schülerin gewesen, sie habe gewusst, was sie wolle und sei nicht leicht zu beeinflussen gewesen, sagte der Beamte.

Die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben beantragten ein psychiatrisches Gutachten über Mundlos und Böhnhardt, auf Basis der Akten. Damit werde man zeigen, dass die beiden an einer schweren dissozialen Persönlichkeitsstörung gelitten hätten, die nach außen nicht erkennbar gewesen sei. Die beiden hatten sich den Ermittlungen zufolge 2011 nach einem missglückten Banküberfall selbst getötet.

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