Kommentar zu CDU/CSU Zerrissene Union

Meinung · Die neuerliche Provokation von Horst Seehofer zeigt einmal mehr: In CDU und CSU brodelt es.

 Meister der Provokation: CSU-Chef Horst Seehofer.

Meister der Provokation: CSU-Chef Horst Seehofer.

Foto: dpa

Der CDU geht es nicht gut, und die Wahlschlappen haben nur mathematisch präzise zum Ausdruck gebracht, was längst zu spüren war: Ein Riss geht durch die Partei. In der Fraktion wurde die Kanzlerin am Dienstag gefragt, warum sie „sehenden Auges“ die rechte Flanke geopfert habe. Und wenn das Mikrofon abgeschaltet ist, sagen CSU-Politiker: Die ist keine von uns. Die CDU ist eine Union. Das ist der Punkt.

Früher, als die Welt noch überschaubar und der ideologische Feind klar zu verorten war, hat das niemand bemerkt. Für die simple Rhetorik entlang der so handlichen Ost-West-Spaltung hat es keine Rolle gespielt, ob jemand zur CDU stand, weil er deren christliche Wurzeln schätzte, deren marktliberale oder deren konservative. Es lief auf dasselbe hinaus: Das Land starkmachen gegen die Bedrohung aus Moskau.

So praktisch ist es nicht mehr. Machtvakuum im Irak, der Zerfall Syriens, Terroranschläge in Europa – das hängt alles plötzlich zusammen. Die Folgen der Konflikte erreichen uns. Auch in Form von Flüchtlingen. Wie einfältig ist die Vermutung, ein unbedachtes Handyfoto hätte die letzten Ausläufer der Krisenwellen vor unsere Haustür gespült.

Und nun zeigt es sich, dass es heute ganz offenbar nicht mehr egal ist, ob es christliche oder konservative Wurzeln sind, aus denen Handlungsanleitung für praktische Politik gewonnen werden. Das ist eine Erklärung für den Riss. Aber jenseits der Tagespolitik muss die Union nun auch erkennen, dass sie nur eine Entwicklung nachvollzieht, die die SPD schon länger erleidet. Die Milieubindungen lockern sich und die Milieus selbst ändern sich.

Was heißt denn heute noch konservativ? Nur ein einziges Mal möchte man von den Kritikern Angela Merkels erklärt bekommen, was sie denn genau meinen, wenn sie ihr vorwerfen, sie mache keine konservativen Angebote. Aber alle Papiere der Lordsiegelbewahrer des Konservatismus enden in blutleerem Wortgeklingel. Weil die Sache eben nicht so einfach ist. Wer junge Familien stärken will (konservativ!), der muss doch wohl dafür sorgen, dass junge Frauen Beruf und Kinderwunsch miteinander vereinbaren können.

Wer die Wirtschaft stärken will (konservativ!), muss Maßnahmen gegen den horrenden Fachkräftemangel ergreifen, was ohne ein Einwanderungsgesetz kaum gehen wird. Und er muss dafür sorgen, dass keine Renationalisierung und keine Grenzzäune den Handel beeinträchtigen. Konservativ ist eben nicht derjenige, der in jeder Rede dreimal Heimat und Nation beschwört, sondern der dafür sorgt, dass sich Werte auch leben lassen.

Die CSU hat das in ihrer modernen praktischen Politik in Bayern übrigens erkannt. Dort funktioniert ihre Politik der Mitte. Bei einer bundesweiten Ausdehnung mutierte sie zum Magneten rechter Wirrköpfe. Das will niemand in der CSU. Deswegen sind Seehofers Andeutung nur hilflose Drohgebärden.

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